Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
ihn kannte. Im Licht des Wachhauses verstärkte sich ihre Überzeugung, und beinahe wie unter Zwang trat sie vor ihn. »Wo habe ich Euch schon einmal gesehen?«, verlangte sie zu wissen.
»Vor drei Nächten, auf meinem Besitz. Dort ist er zwischen den Bäumen herumgeschlichen«, erklärte Robert.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf, und ihr Magen krampfte sich zusammen. »Das ist nicht alles.«
»Nein, das ist nicht alles.« Die dunklen, tiefliegenden Augen des Fremden bohrten sich sengend in ihre. »Erinnere dich, Clarice. Denk zurück. An den Tag, an dem deine Schwester
Sorcha zur Kronprinzessin ausgerufen und mit einem jungen Mann verlobt wurde...«
»Mit dir.« Sie flüsterte, weil sie es nicht ertragen konnte, die Worte laut auszusprechen. »Du bist Rainger. Du bist der Kronprinz von Richarte.«
30
Es ist genauso leicht, einen Prinzen zu lieben wie einen Bettelmann.
DIE KÖNIGINWITWE VON BEAUMONTAGNE
Z u spät. Robert starrte Clarice und ihren Prinzen an. Zu spät, dachte er.
Er hatte zu lange gewartet, ihr zu sagen, dass er sie liebte. Jetzt war ihr Prinz da und würde sie nach Beaumontagne zurückbringen, und sie würde mitgehen, weil …
»Nein!«, sagte er. »Nein, hört zu!«
Prinz Rainger wandte den Kopf ab, als hätte er etwas in den Tiefen der Festung gehört. »Wir müssen hier weg.« Er hielt Clarice den Arm hin.
Heuchlerischer Mistkerl. Robert trat neben Clarice und bot ihr ebenfalls den Arm. Sie schaute zwischen den beiden Männern hin und her und legte dann ihre Hand auf Roberts Arm.
Der Prinz trat zurück. Er war nicht am Boden zerschmettert, sondern wartete einfach nur ab.
»Kannst du noch laufen?«, erkundigte sich Robert bei Clarice.
»Um hier herauszukommen, würde ich die ganze Strecke zurück nach...« Sie unterbrach sich.
Zurück nach MacKenzie Manor? Sag es! Zurück nach Hause, nach MacKenzie Manor!
Sie sagte es nicht. »Ja, ich kann laufen«, erklärte sie.
Er stützte sie, als sie hinauseilten. Er hätte es nicht tun müssen, denn Clarice hielt sich gut. Aber er wollte sie berühren, wollte sich vergewissern, dass sie noch die Seine war.
Ich habe zu lange gewartet, um ihr das klarzumachen!
Während Robert und Clarice weiterliefen, schlug Prinz Rainger die Tür des Wachhauses mit einem lauten Knall zu.
Etwa auf halber Höhe des bewaldeten Hügels vor der Festung begann Clarice zu keuchen. Sie hatte sich noch nicht von den Strapazen erholt, und Robert blieb stehen. Vom Wachhaus aus waren sie nicht mehr zu sehen, und irgendwie erwartete er nicht, dass Richter Fairfoot herauskommen würde. Nicht so bald jedenfalls.
Der Prinz hielt Abstand. Vielleicht spürte er die Atmosphäre. Oder aber er wusste, wie sehr Robert den Preis hasste, den er jetzt für die Hilfe dieses Mannes zahlen musste.
Vielleicht wartete er auch einfach nur ab, dass Clarice Robert sagte, es wäre vorbei, damit er sie wegführen konnte. Für immer.
Aber es war nicht vorbei. Nicht, bis Robert gesagt hatte, was ihm auf dem Herzen lag. »Clarice.« In dem von den Zweigen gefilterten Mondlicht konnte er den Schmutz auf ihrem Gesicht sehen. Aber als er versuchte, ihn wegzuwischen, zuckte sie zurück. Er verstand. Er kreidete Fairfoot eine weitere Tracht Prügel auf dessen schnell wachsendes Konto an. »Was hat dieser Abschaum dir angetan?«
Sie lächelte gequält. »Nicht annährend so viel, wie er gewollt hätte. Nichts... gar nichts. Er hat mich nicht verletzt. Jedenfalls nicht so, wie du denkst.«
Robert umarmte sie erleichtert. Er war erleichtert um ihretwillen, aber auch um seinetwillen. Hätte Fairfoot sie vergewaltigt, wäre er für den Mord an einem englischen Richter
ins Gefängnis gewandert. Er hielt Clarice eng umschlungen, atmete ihren geliebten Duft ein. Sie war das Kostbarste, was er besaß.
Zu spät.
Sie ließ nicht zu, dass er sie zu lange hielt, doch es war bei weitem nicht lange genug für ihn. Sie befreite sich aus seiner Umarmung. »Wirklich«, versicherte sie ihm, »Fairfoot reagiert ziemlich empfindlich, wenn man ihm vorwirft, dass er nicht die nötigen Mittel hätte, um eine Frau zu befriedigen.«
»Du hast ihm doch nicht...?« Robert war schockiert und entsetzt. »Das hast du ihm nicht gesagt! Nicht, als du allein mit ihm in der Zelle warst!«
Sie hob trotzig das Kinn. »Doch, hab ich. Deshalb hat er mich geschlagen, und ich muss dir sagen, der Anblick seines hochroten Gesichts war den Fausthieb fast wert. Ich glaube, ich habe mehr ins Schwarze
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