Losung Takalor
einen Sokrates vor seinen unrühmlichen Ende hätte bewahren dürfen. Es wäre mir verboten gewesen, einen Perikles von der Pest zu heilen, oder den Bombenwerfern von Sarajevo in den Arm zu fallen, oder dem nachfolgenden erfolgreicheren Todesschützen den Revolver wegzunehmen.
»Ich frage mich, warum ich mich nicht einfach schlafen gelegt habe«, bemerkte Dr. Samy Kulot.
»Den verfluchten Marsianern werde ich es heimzahlen«, verkündete Hannibal zornbebend.
»Sie haben keine Schuld, Kleiner«, sagte ich. »Vergiß nicht, sie kennen die historischen Ereignisse nicht.«
»Das ist mir ganz egal. Sie sollen mir dafür zahlen, Großer.« Er blickte mich verzweifelt an. Zögernd zeigte er nach oben. »Ich glaube, einer von den Jungs hat sich nach oben gerettet. Was geschieht mit ihm?«
»Wart’s ab«, riet ich ihm. Ich wagte es nicht, auszusprechen, was notwendig war.
Doch ich brauchte gar nichts zu sagen. Alle wußten Bescheid, und alle schreckten vor der Entscheidung zurück.
Dr. Framus G. Allison fuhr sich mit der Hand über die strohblonden Stachelhaare, in denen ich Schweißtropfen entdeckte, obwohl es keineswegs übermäßig warm in der Kabine war. Seine Sommersprossen hoben sich viel deutlicher als sonst von seinem blassen Teint ab.
Das lausbubenhafte Gesicht des Para-Mediziners Dr. Samy Kulot wirkte alt und grau. Er wich meinen Blicken aus.
Wir mußten alle, die sich auf den Zeitdeformator gerettet hat ten, ins Wasser werfen. So grauenvoll die Vorstellung für uns war, es gab keine andere Möglichkeit.
Professor Goldstein unterbrach das Schweigen.
»Sie geben uns frei«, sagte er.
Hannibal hüpfte förmlich zu ihm hinüber. Er war sichtlich froh über jede Ablenkung.
»Tatsächlich«, bemerkte er verblüfft. Er fuhr herum. »Großer, wir werden wieder flott.«
Goldstein zögerte. Ich ging zu ihm und drückte den Hebel scharf nach vorn. Der Zeitdeformator beschleunigte mit Höchstwerten. Er löste sich aus dem Wasser, raste an einem britischen Panzerkreuzer vorbei und verschwand dann aus dem Bereich der kämpfenden Schiffe. Ich atmete auf.
Etwa zwanzig Minuten vergingen, dann tauchte die norwegische Küste vor uns auf.
»Es hilft alles nichts. Wir müssen nachsehen«, sagte ich und gab Professor Goldstein ein Zeichen. Er reagierte dieses Mal prompt. Der Zeitdeformator verzögerte stark und verharrte dann dicht über dem Wasser auf der Stelle. Wir waren noch etwa zehn Kilometer von den Schären vor der Hafeneinfahrt von Kristiansand entfernt.
Ich wartete gar nicht erst, bis die anderen etwas sagten. Hannibal und ich verständigten uns ohne große Worte. Einer von uns mußte nach draußen. Ich übernahm die Aufgabe und öffnete das Mannschott. Meine Befürchtungen, in die von Todesangst gezeichneten Augen eines Seemanns sehen zu müssen, erfüllten sich nicht.
Der Kleine half mir dabei, auf die Oberseite des Würfels zu steigen. Auch hier hielt sich niemand auf. Ich schritt die Seiten ab und fand zu meiner Erleichterung auch hier keinen Schiffbrüchigen vor. Ich wußte genau, daß ich keinen dieser Jungen hätte ins Wasser stoßen können. Ich atmete auf. Jetzt wußte ich, daß wir niemanden umgebracht hatten. In der Beschleunigungsphase hatte ich die Bildschirme beobachtet. Niemand war vom Zeitwandler heruntergefallen. Also mußten wir uns getäuscht haben. Wenn jemand bis in unsere Nähe geschwommen war, dann hatte er sich nicht halten können.
Ich versuchte, mich mit dem Gedanken zu trösten, daß diese Männer im Grunde genommen Tote waren. Ich mußte die Sache wie in einem Film sehen, in dem ich zwar Zeuge des Geschehens wurde, aber doch nichts ändern konnte.
Ich kehrte in die Kabine zurück und sah, wie
Weitere Kostenlose Bücher