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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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verbindet. Es gibt die laufenden Wirtschaftsrechnungen, den Umgang mit liefernden Handelsleuten, die Stellvertretung bei den und den abzulegenden oder zu empfangenden Visiten und anderen Opportunitäten und Obliegenheiten dieser Art, – ich erinnere nur an die Begräbnisse. Da ist die Kustodenschaft über die wohlgeordneten und immerfort wachsenden Privat-Sammlungen, unser Mineralien- und Münzkabinett, den Augentrost von geschnittenen Steinen und Kupferstichen, und plötzlich will über Land gesprengt sein, weil irgendwo in einem Steinbruch ein wichtiger Quarz oder gar ein Fossil sich hervorgetan. O nein, der Kopf steht einem nicht leer. Sind Sie, Frau Hofrätin, allenfalls über die Verhältnisse in unserer Hoftheater-Intendanz unterrichtet? Ich soll da jetzt beiträtig werden.«
    »Beiträtig?« wiederholte sie entsetzt …
    »Allerdings. Die Lage ist ja so, daß Vater zwar rangältester Minister ist, aber seit vielen Jahren, eigentlich schon seit seiner Rückkehr aus Italien, kein Geschäftsressort mehr verwaltet. Mit einiger Regelmäßigkeit befragen läßt er sich nur noch in Sachen der Universität Jena, aber schon Titel und Pflichten eines Curators würden ihn belästigen. Es waren im Grunde nur noch zwei Geschäfte, die er bis vor kurzem ständig versah: die {258} Direktion des Hoftheaters und die Ober-Aufsicht über die Unmittelbaren Anstalten für Kunst und Wissenschaft; will sagen die Bibliotheken, die Zeichenschulen, den Botanischen Garten, die Sternwarte und die naturwissenschaftlichen Kabinette. Es sind das Anstalten ursprünglich fürstlicher Gründung und Unterstützung, müssen Sie wissen, und Vater besteht immer noch streng auf ihrer Unterscheidung und Abtrennung vom Landeseigentum, er lehnt es selbst theoretisch ab, irgend einem anderen Rechenschaft darüber zu schulden, als Serenissimo, von dem allein er abhängig sein will, und kurz, Sie sehen, seine Oberaufsicht ist ein wenig ein Relikt aus vergangenen Zeiten, er demonstriert damit gegen den neuen Verfassungsstaat, von dem er – ich gebrauche die Redensart mit Bedacht – nichts wissen will. Er ignoriert ihn, verstehen Sie.«
    »Ganz leicht verstehe ich das. Er bleibt den alten Verhältnissen anhänglich, es liegt in seiner Natur und Gewohnheit, den herzoglichen Dienst als einen Dienst von Person zu Person zu verstehen.«
    »Sehr wahr. Ich finde auch, daß es ihm wunderbar wohl ansteht. Was mich zuweilen etwas beunruhigen will – ich muß wohl Ihres Erstaunens gewärtig sein, daß ich mich Ihnen so vertraulich eröffne – ist das Licht, das dabei auf mich selber, seinen geborenen Adlaten bei diesen Geschäften fällt. Denn ich muß manchen Weg machen an seiner Statt und manchen Auftrag verrichten, nach Jena reiten, wenn dort ein Bau im Gange ist, die Wünsche der Professoren einholen und was nicht noch. Ich bin nicht zu jung dafür, ich bin siebenundzwanzig, stehe im Mannesalter. Aber ich bin zu jung für den Geist, worin es geschieht. Verstehen Sie mich recht, – ich besorge manchmal, in ein schiefes Licht zu geraten, durch die Assistenz bei einer altmodischen Ober-Aufsicht, die sich nicht wohl vererben läßt, weil sie den Erben unzukömmlicher Weise gleichfalls zum Opponenten des neuen Staatsgeistes zu machen scheint …«
    {259} »Sie sind zu skrupulös, mein guter Herr Kammer-Rat. Ich möchte den sehen, der im Anblick so natürlich gegebener Hilfeleistungen auf verfängliche Gedanken käme. Und nun also werden Sie auch noch beiträtig werden bei der Leitung des Hoftheaters?«
    »So ist es. Meine Vermittlung ist hier sogar am allernötigsten. Sie denken sich den Verdruß nicht aus, den Vater von jeher mit diesem scheinbar heiteren Amte gehabt hat. Da sind die Thorheiten und Anmaßungen der Komödianten, der Verfasser, ich will nur hinzufügen: des Publikums. Da ist die Rücksicht auf Launen und Ansprüche von Personen des Hofes, schlimmsten Falls solchen, die diesem und dem Theater zugleich angehören – ich habe, mit Respekt zu melden, die schöne Jagemann im Auge, Frau von Heygendorf, deren Einfluß beim Herrn den seinen jederzeit ausstechen konnte. Kurz, das sind komplizierte Verhältnisse. Dann war auch Vater von seiner Seite, man muß es zugeben, niemals ein Mann rechter Stetigkeit – in keiner Beziehung und auch in dieser nicht. Alljährlich war er viele Wochen der Spielzeit nicht da, auf Reisen, in Bädern, und kümmerte sich um das Spiel überhaupt nicht. Es war und ist in ihm gegen das Theater ein sonderbarer

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