Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
gelassen würde, seine Verirrungen einzusehen, zu vermeiden und in reine Thätigkeit aufzulösen, und wie ich nur wünschen könne, daß dieser humane Versuch gelingen und zu ähnlichen in der Folge Überzeugung und Mut geben möge. Wird es so recht sein?«
»Herrlich schön, Euer Excellenz! Ich ersterbe wahrhaft in –«
»Und meint ihr wohl, daß wir nun für den Augenblick von eueren Geschäften könnten zu meinen übergehen?«
»Oh, Excellenz, es ist ganz unverzeihlich –«
»Ich stehe hier und blättere in den Gedichten des Divan, der {345} sich letzthin um ein paar ganz artige Stückchen vermehrt. Ich habe da einiges suppliert und geordnet, auch war schon die Masse bedeutend genug, sie in Bücher zu teilen – seht ihr, Buch der Parabeln, Buch Suleika, Buch des Schenken – Da soll ich nun einiges für den Damenkalender geben – Im Grund widersteht mir's. Ich mag die Steine nicht aus der sich ründenden Krone brechen und zwischen Zeiger und Daumen vorweisen. Auch zweifl' ich, ob sich das Einzelne wird schätzbar erweisen; das Einzelne ist's nicht, es ist das Ganze; ist ja ein drehend Gewölbe und Planetarium; und ich zögre zudem, einem befremdeten Publico etwas vorzulegen von diesen Machenschaften ohne die Noten, den didaktischen Kommentar, den ich vorbereite, um die Leserschaft in Gesinnung, Sitten und Sprachgebrauch des Ostens historisch einzuführen und sie so zum gründlich-heiteren Genuß des Gebotenen tüchtig zu machen. Andererseits mag man ja auch wieder nicht den Spröden spielen, und der Wunsch, mit seinen kleinen Neuigkeiten und gefühlten Scherzen vertrauensvoll hervorzutreten, ist der Verbündete der äußern Neugier. Was, meint ihr, soll ich in den Kalender geben?«
»Dies hier vielleicht, Excellenz: ›Sagt es niemand, nur den Weisen –‹ Es ist so geheimnisvoll.«
»Nein, das nicht. Ist mir zu schade. Ist eine gar wunderliche Einflüsterung und Kaviar fürs Volk. Möge im Buch stehen, aber nicht im Kalender. Ich halt's mit Hafisen, der auch der reinen Überzeugung war, daß man den Menschen nur alsdann behagt, wenn man ihnen vorsingt, was sie gern, leicht und bequem hören, wobei man ihnen denn auch etwas Schweres, Schwieriges, Unwillkommenes gelegentlich mit unterschieben darf. Ohne Diplomatie geht's auch in der Kunst nicht ab. Ist ja ein Damenkalender. ›Behandelt die Frauen mit Nachsicht‹ – Das würde passen, geht aber auch nicht von wegen der krummen Rippe. ›Willst du sie biegen, sie bricht. Läßt du sie ruhig, sie wird noch krümmer‹ – Das verstieße auch gegen die Diplo {346} matie, und man kann's nur im Buche mit unterschieben. ›Möge meinem Schreiberohr Liebliches entfließen.‹ Das wär' so dergleichen. Und sonst dies und jenes Heitere, Artige oder Innige, wie hier: ›Hans Adam war ein Erdenkloß‹ und dies vielleicht von dem bangen Tropfen, dem Kraft und Dauer geschenkt wird, daß er als Perle in Kaisers Krone prangt, – sowie noch dies hier von vorigem Jahr: ›Bei Mondenschein im Paradeis‹, von Gottes zwei lieblichsten Gedanken. Was meint er?«
»Sehr wohl und schön, Excellenz. Ferner vielleicht das bewundernswerte ›Nimmer will ich dich verlieren‹? Sie sind so schön, diese Verse: ›Magst du meine Jugend zieren – Mit gewaltger Leidenschaft.‹«
»Hm. Nein. Das ist der Frauen Stimme. Ich nehme an, daß die Damen lieber die des Mannes und Dichters vernehmen. Also das Vorhergehende: ›Findet sie ein Häufchen Asche, – Sagt sie: der verbrannte mir.‹«
»Sehr wohl. Ich gestehe, daß ich gern mit einem eigenen Vorschlag durchgedrungen wäre. So habe ich mich mit froher Zustimmung zu begnügen. Warnen möchte ich vor ›Die Sonne, Helios der Griechen‹, das mir der Revision zu bedürfen scheint. ›Helios der Griechen‹ und ›das Weltall zu besiegen‹ ist kein sprachreiner und gebildeter Reim.«
»Ei, der Bär brummt wies Brauch seiner Höhle. Lassen wir's gut sein. Wir werden sehen. Setzt euch, wenn's gefällig, ich will aus meinem Leben diktieren.«
»Fertig zu Diensten, Euer Excellenz.«
»Lieber Freund, steht noch einmal auf! Sie sitzen auf dem Schoß Ihres Rockes. Geht das eine Stunde, so sieht es nachher abscheulich aus, zerdrückt und zerknautscht, und in meinen Diensten habt ihr euch's zugezogen. Laßt beide Schöße in schonender Freiheit vom Stuhle hängen, ich bitte euch.«
»Verbindlichsten Dank der Fürsorge, Excellenz.«
»So können wir anfangen, oder vielmehr fortfahren, denn Anfangen ist schwerer.
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