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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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schien. Es war Herr Stephan Schütze, »unser trefflicher Belletrist und Taschenbuch-Editor«, wie Charlotte erfuhr, als die Fußgänger sich den Vorgefahrenen zuwandten und unter Verbindlichkeiten, bei seitlich geschwungenen Cylindern, eine erfreute Bewillkommnung mit obligaten Vorstellungen sich abspielte. Riemer wehrte humoristisch hochtrabend ab, als man ihn mit Charlotte bekannt machen wollte, indem er der Zuversicht Ausdruck gab, daß die Frau Hofrätin sich eines schon drei Tage alten Freundes erinnern werde, und tätschelte väterlich die Hand Jung-Lottchens. Das that auch sein Begleiter, ein etwas gebückter Fünfziger mit milden Gesichtszügen und strähnig erblichenem langem Haar, das unter seinem hohen Hut hervorhing. Es war kein Geringerer als Hofrat Meyer, der Kunstprofessor. Er und Riemer waren direkt von beiderseitigen Amtsgeschäften hierhergekommen, während ihre Damen auf eigene Hand sich einfinden würden.
    »Nun wollen wir hoffen«, sagte Meyer, während man ins Haus trat, in dem bedächtig stakkierten Tonfall seiner Heimat, worin sich etwas Bieder-Altdeutsches mit ausländisch-halbfranzösischen Akzenten zu mischen schien, »daß wir die Chance haben, unseren Meister in guter und heiterer Condition, nicht taziturn und marode anzutreffen, damit wir des quälenden Gefühls entübrigt sind, ihm beschwerlich zu fallen.«
    Er sagte es, zu Charlotte gewandt, gesetzt und ausführlich, offenbar ohne Gefühl dafür, wie wenig ermutigend diese Worte eines Intimen auf einen Neu-Hereintretenden wirken mußten. Sie konnte sich nicht enthalten, zu erwidern:
    »Ich kenne den Herrn dieses Hauses sogar noch länger, als Sie, Herr Professor, und bin nicht ohne Erfahrung in den Schwankungen seines Dichtergemütes.«
    {379} »Die jüngere Bekanntschaft ist gleichwohl die authentischere«, sagte er unerschüttert, indem er jeder Silbe des Comparativs geruhig ihr Recht widerfahren ließ.
    Charlotte hörte nicht hin. Sie war beeindruckt von der Noblesse des Treppenhauses, in das man eingetreten war, dem breiten Marmorgeländer, den in splendider Langsamkeit sich hebenden Stufen, dem mit schönem Maß verteilten antiken Schmuck überall. Auf der Treppenruhe schon, wo in weißen Nischen Broncegüsse anmutiger Griechengestalten, davor auf marmornem Postament, ebenfalls in Bronce, ein in vortrefflich beobachteter Pose sich wendender Windhund standen, erwartete August von Goethe mit dem Bedienten die Gäste, – sehr gut aussehend, trotz einiger Schwammigkeit der Figur und Gesichtszüge, mit seiner gescheitelten Lockenfrisur, Auszeichnungen auf dem Frack, in seidenem Halstuch und Damastgilet, und geleitete sie einige Stufen gegen die Empfangsräume hinauf, mußte aber gleich wieder umkehren, um Nachkommende zu begrüßen.
    Es war der Bediente, auch sehr herrschaftlich-adrett und würdig, obgleich noch jung, in blauer Livree mit Goldknöpfen und einer gelb gestreiften Weste, der Ridels und Kestners nebst den drei Hausfreunden vollends hinaufführte, um ihnen beim Ablegen behilflich zu sein. Auch zu Häupten der Staatstreppe war's edel-prächtig und kunstreich. Eine Gruppe, die Charlotte als »Schlaf und Tod« zu bezeichnen gewohnt war, zwei Jünglinge darstellend, von denen einer dem andern den Arm um die Schulter legte, hob sich dunkel glänzend ab von der hellen Fläche der Wand zur Seite des Entree's, welchem ein weißes Relief als Sopraport diente, und vor dem ein blau emailliertes »Salve« in den Fußboden eingelassen war. »Nun also!« dachte Charlotte ermutigt. »Man ist ja willkommen. Was soll's da mit taciturn und marode? Aber schön hat's der Junge bekommen – ! Am Kornmarkt zu Wetzlar wohnt' er modester. Da hatt' er {380} meinen Scherenschnitt an der Wand, geschenkt ihm aus Güte, Freundschaft und Mitleid, und grüßt' ihn morgens und abends mit Augen und Lippen, wie es im Buche steht. Hab' ich ein Sonderrecht, dies Salve auf mich zu beziehen – oder nicht?«
    An der Seite ihrer Schwester trat sie in den geöffneten Salon, etwas erschrocken, weil, ihr ungewohnter Weise, der Diener die Namen der Eintretenden, auch ihren, »Frau Hofrätin Kestner!«, förmlich ausrief. In dem Empfangsraum, einem Klavier-Zimmer, das, elegant genug, doch im Verhältnis zu der Weitläufigkeit des Aufganges durch seine eher mäßigen Proportionen etwas enttäuschte und sich durch flügellose Thüren gegen eine Perspektive weiterer Gemächer aufthat, standen schon ein paar Gäste, zwei Herren und eine Dame, in der Nähe einer

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