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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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ordentlichen Häufchen zusammenlegte. Er wiederholte seine Einladung in die Loge und wollte hoffen, daß die Umstände es erlauben möchten, ihr eine Aufführung des »Wallenstein« zu zeigen, die, mit Wolff in der Titelrolle, eine sehr ansehnliche Darbietung sei und schon manchen Fremden beeindruckt habe. Danach fand er es selber drollig, wie eine doppelte Anknüpfung, die an das Schiller'sche Stück und die an das Tafelwasser, ihn auf die alte Burg zu Eger in Böhmen brachte, in der die vornehmsten Anhänger Wallensteins niedergemacht worden, und die ihn als Bauwerk höchlich interessierte. Von dieser begann er zu sprechen und brauchte sich dabei nur von Charlottens Teller abzuwenden und die intime Dämpfung seiner Stimme aufzuheben, um sogleich wieder die ganze Tafel zu Zuhörern zu haben. Der sogenannte Schwarze Turm, äußerte er, etwa von der ehemaligen Zugbrücke gesehen, sei ein gar großartiges Werk, dessen Gestein wahrscheinlich vom Kammerberge stamme. Dies sagte er zu dem Bergrat, indem er ihm fachlich-vertraulich zunickte. Die Steine, so berichtete er, seien ausnehmend kunstreich behauen und so zusammengesetzt, wie sie am besten der Witterung hätten widerstehen können, sodaß sie beinahe die Form gewisser loser Feldkrystalle bei Elbogen hätten. Und im Anschluß an diese Formverwandtschaft kam er, {402} sehr belebt und mit glänzenden Augen, auf einen mineralogischen Fund zu sprechen, den er auf einem Wagen-Ausfluge in Böhmen, auf der Fahrt von Eger nach Liebenstein gemacht, wohin ihn nicht nur das merkwürdige Ritterschloß, sondern auch der dem Kammerberge gegenüber sich erhebende und geologisch sehr lehrreiche Plattenberg gelockt.
    Der Weg dorthin, so schilderte er mit viel Anschaulichkeit und Laune, sei halsbrecherisch schlecht gewesen, mit großen, wassergefüllten Löchern übersät, deren Tiefe nicht zu berechnen gewesen, und sein Begleiter im Wagen, ein dortiger Beamter, habe in tausend Aengsten geschwebt, – angeblich um seine, des Erzählers Person, in Wirklichkeit aber ganz unverkennbar um seine eigene, sodaß er ihn immerfort habe beruhigen und ihn auf die Tüchtigkeit des Kutschers habe hinweisen müssen, der seine Sache so gut verstanden habe, daß Napoléon, hätte er den Menschen gekannt, ihn zu seinem Leibkutscher gemacht haben würde. In die großen Löcher sei er behutsam mitten hineingefahren – das beste Mittel, ein Umwerfen zu vermeiden. »Wie wir denn nun«, – so ging die Erzählung, – »auf der auch noch steigenden Straße im Schritte dahinhumpeln, gewahr' ich etwas zur Seite am Boden, was mich denn doch bestimmt, ganz sacht vom Wagen zu steigen und mir das Ding näher anzusehen. Nun, wie kommst du daher? Ja, wie kommst denn du daher? frage ich, denn was blickt mir da aus dem Schmutze glänzend entgegen? Ein Feldspat-Zwillingskrystall!«
    »Ei, der tausend!« sagte Werner. Aber obgleich er mutmaßlich – Charlotte vermutete es und hoffte es beinahe – der Einzige am Tische war, der so recht wußte, was das sei, ein Feldspat-Zwillingskrystall, so zeigten sich doch alle entzückt über des Erzählers Begegnung mit dem Naturspiel und zwar ganz aufrichtig; denn er hatte sie so erquickend dramatisch gestaltet, und namentlich das herzlich erstaunte und erfreute Hinabre {403} den auf den Fund – »Ja, wie kommst denn du daher?« – war so reizend gewesen, so neu und rührend und märchenhaft hatte es gewirkt, daß ein Mensch – und was für ein Mensch! – einen Stein mit Du anredete, daß keineswegs nur der Bergrat dabei auf seine Kosten kam. Charlotte, die mit gleicher Anspannung den Sprechenden wie die Zuhörer beobachtete, sah Liebe und Freude auf allen Gesichtern, zum Beispiel auf demjenigen Riemers, wo sie sich ganz eigentümlich mit dem maulenden Zuge mischten, der dort immer waltete; aber auch auf Augusts Gesicht, ja auf dem Lottchens erkannte sie sie, und besonders in den sonst trocken-unbeweglichen Zügen Meyers, der sich an Amalie Ridel vorbei gegen den Erzähler vorbeugte, um an seinen Lippen zu hängen, sah sie eine so innige Zärtlichkeit sich abspiegeln, daß ihr selbst, sie wußte nicht wie, die Thränen in die Augen traten.
    Es war ihr nichts weniger als willkommen, daß nach dem kurzen Privatgespräch, das der Jugendfreund mit ihr gepflogen, seine Rede immer endgültiger der ganzen Tafelrunde galt, – teils weil diese danach verlangte, teils aber auch, wie Charlotte sich nicht verhehlte, der »Regelung« gemäß. Und doch konnte sie sich eines

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