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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Jahreszeit, sah er Ottilie den Sommer hin freilich nur selten. Dafür trat ein Begebnis ein, von dem ich Ihnen keine genauere Rechenschaft zu geben weiß, weil es von halb heiterem und halb beklemmendem Geheimnis umgeben ist, über dessen fatale Wichtigkeit aber kein Zweifel bestehen kann. Anfang August hatte Ottilie an der Ackerwand eine Begegnung mit dem Geheimen Rat, Deutschlands großem Dichter.
    Ich wiederhole: über ihren Verlauf muß ich die Auskunft schuldig bleiben, denn ich besitze keine. Mit einer Scherzhaftigkeit, die nichts Erheiterndes hat, verweigert Ottilie sie mir; {218} ihr gefällt es, das Vorkommnis in eine Art von neckisch feierlichem Geheimnis zu hüllen. ›Will er doch selbst‹, antwortet sie lächelnd, wenn ich in sie dringe, ›über sein Gespräch mit dem Kaiser Napoléon sich nie recht auslassen, sondern verschließt das Gedächtnis daran vor der Welt, und vor Freunden selbst, als ein eifersüchtig gehütet Gut. Vergieb mir, Adele, wenn ich mir ihn darin zum Muster nehme und laß dir mit der Nachricht genügen, daß er reizend zu mir war.‹
    Er war reizend zu ihr, – ich überliefere es Ihnen, teuerste Frau. Und mit dieser Zeitung schließe ich meine Novelle, die, wie Sie sehen, von der charmanten Sorte ist, an deren Ende eine Verlobung steht oder doch als nahe Verheißung winkt. Wenn kein Wunder geschieht, wenn nicht der Himmel sich ins Mittel legt, so dürfen Hof und Stadt das Ereignis zu Weihnachten, gewiß aber zu Sylvester erwarten.«

{219} Sechstes Kapitel
    Dem Bericht Demoiselle Schopenhauers ist hier ungestörter Zusammenhang gewahrt worden. In Wirklichkeit wurde der sächsisch gefärbte Redefluß ihres breiten, geübten Mundes zweimal unterbrochen: in der Mitte und gegen das Ende hin, beide Male durch Kellner Mager, der, sichtlich leidend unter seiner Pflicht, und unter inständigen Entschuldigungen im Parlour room erschien, um neue Meldungen vorzubringen.
    Zum ersten war es die Zofe der Frau Geheimen Kammerrätin Ridel, die er ansagen mußte. Die Abgesandte befinde sich im unteren Flur, berichtete er, und frage dringend nach dem Befinden und Verbleib der Frau Hofrätin, um deren Person an der Esplanade, wo das Mittagessen verderbe, schon große Beunruhigung herrsche. Vergebens habe Mager ihr klar zu machen gesucht, das Eintreffen des illustren Gastes des »Elephanten« bei ihrer Frau Schwester verzögere sich durch wichtige Empfänge, in denen zu stören er, Mager, der Mann nicht sei. Die Mamsell habe ihn dennoch, nach einigem Warten, zu diesem Schritt gezwungen und auf der Kundmachung ihrer Anwesenheit lebhaft bestanden, da sie die strikte Ordre habe, sich der Frau Hofrätin zu bemächtigen und sie nach Hause zu bringen, wo Unruhe und Hunger schon übergroß seien.
    Charlotte hatte sich geröteten Angesichts erhoben, mit einer Miene, einer Bewegung, die den Beschluß: »Ja, es ist unverantwortlich! Welche Zeit ist es denn? Ich muß fort! Wir müssen's diesmal unterbrechen« aufs bestimmteste anzukündigen schien. Überraschender Weise aber setzte sie sich nach diesem Anlauf sogleich wieder und äußerte das Gegenteil des Erwarteten.
    »Es ist gut, Mager«, sagte sie, »ich weiß, er platzt uns nicht gern da schon wieder herein. Sag er der Mamsell, sie soll sich {220} gedulden oder gehen – am besten, sie geht und richtet der Frau Kammerrätin aus, man möge doch ja mit dem Essen nicht auf mich warten, ich folge nach, sobald die Geschäfte es mir erlauben, und zur Beunruhigung meinetwegen sei kein Anlaß. Natürlich sind Ridels beunruhigt, wer wäre es nicht, ich bin es auch, denn ich weiß längst nicht mehr, was die Glocke ist, und habe mir selbst das alles durchaus nicht so vorgestellt. Es ist aber, wie es ist, und ich bin nun einmal keine Privatperson, sondern muß höhere Ansprüche anerkennen, als ein wartendes Mittagessen. Sag' er das der Mamsell, und sie möge ausrichten, ich hätte mich müssen abzeichnen lassen und dann mit Herrn Doktor Riemer über wichtige Dinge deliberieren, jetzt aber hätte ich hier dem Vortrag dieser Dame zu folgen und könne nicht mitten drin auf und davon gehen. Sag' er ihr das nebst dem von den höheren Ansprüchen und dem von der Beunruhigung, die mir auch nicht fremd sei, nur müsse ich mich damit einrichten und ließe bitten, ein Gleiches zu tun.«
    »Sehr wohl, ich danke«, hatte Mager befriedigt und voller Verständnis erwidert und sich entfernt, worauf denn M lle Schopenhauer ihre Erzählung etwa dort, wo die jungen Mädchen nach

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