Lotterie der Liebe
Miss Bainbridge?”
“Wenn Sie mich schon danach fragen, Mylord.” Sie atmete tief durch. “Ich missbillige Spielleidenschaft und habe kein Verständnis für Menschen, die junge und leicht zu beeindruckende Naturen auf Abwege bringen.”
Jonathan lachte auf. “Du lieber Gott! Sie halten Ihren Bruder doch wohl nicht für in irgendeiner Weise beeinflussbar? Er könnte sogar noch routinierten Spielern die eine oder andere Sache beibringen.”
Flüchtig presste Amy die Lippen zusammen. “Ihre Einstellung bestätigt lediglich meinen Standpunkt, Mylord. Herren wie Sie oder der Duke of Fleet, denen ein Vermögen zur Ausübung ihrer Laster zur Verfügung steht, können es gern ganz nach Belieben vergeuden. Es ist jedoch etwas völlig anderes, wenn sie Leute zum Spielen ermutigen, die nicht die Mittel dafür haben.”
“Niemand zwingt Ihren Bruder, sich am Glücksspiel zu beteiligen”, entgegnete Jonathan trocken. “Wenn er es sich nicht leisten kann, dann sollte er nicht so hohe Einsätze wagen.”
Amy empfand eine beinahe überwältigende Abneigung gegen den Earl of Tallant. “Ich hätte mir denken können, dass Sie kein Verständnis haben oder sich absichtlich begriffsstutzig geben!”
“Ich verstehe Sie vollkommen, meine liebe Miss Bainbridge. Sie sind diejenige, die nicht begreift. Die Wahrheit ist, dass Ihr Bruder, würden Seine Gnaden und ich ihm nicht sein Geld abnehmen, es an jemand anderen verlieren würde. Die Spielleidenschaft ist sein Problem, nicht meins und auch nicht das Seiner Gnaden.”
Amy wurde noch wütender. Ihre blauen Augen blitzten. “Sie nutzen Richards Schwäche aus, Sir.”
Der Earl zuckte mit den Achseln. “Vielleicht.” Er sah Amy an, und erbost bemerkte sie, dass er noch immer lächelte. “Ihr Bruder hat eindeutig doppeltes Pech, nicht wahr, Miss Bainbridge? Denn trotz seines Charmes scheint ihm die Charakterstärke zu fehlen, die Sie besitzen.”
Amy wandte den Blick ab. Sie war nicht gewillt, dieser Kritik an Richard zuzustimmen, ganz gleich, wie zutreffend sie war.
“Wir werden einfach zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir unterschiedlicher Meinung sind, Mylord”, erwiderte sie verbissen. “Vielleicht sollten wir nichts mehr sagen, bis wir bei mir zu Hause sind.”
Jonathan zog die Augenbrauen hoch. “Müssen wir schweigen, Miss Bainbridge? Wir sind jetzt erst in Piccadilly, und ich habe immer wieder festgestellt, dass die Zeit schneller vergeht, wenn man beschäftigt ist. Vielleicht können wir uns über etwas Unverfängliches unterhalten, sodass ich Sie nicht erneut wütend mache.”
Amy schwieg. Sie war nicht absichtlich störrisch, jedoch so irritiert, dass ihr kein neutrales Thema einfiel. Nach einem Moment lachte der Earl. “Oje! Ist es so schlimm, Miss Bainbridge? Und übers Wetter haben wir schon geredet.”
Sie schaute ihn an. Er lächelte ihr zu, und in seinen Augen stand ein so freundlicher Ausdruck, dass sie sich auf eine gänzliche andere Weise unwohl zu fühlen begann. Das war sehr verwirrend. Sie verabscheute den Earl von Herzen, insbesondere, weil er ihre in Bezug auf den Bruder geäußerte Bitte so schnöde abgetan hatte. Dennoch war sie sich gewahr, dass sie sich für ihn zu erwärmen begann. Ganz bewusst versteifte sie sich wieder.
“Wir könnten wieder über das Wetter reden”, sagte sie kühl. “Schließlich ist es im Moment sehr sonnig.”
Jonathan neigte den Kopf. “Das stimmt. Ich glaube jedoch, dass es ein Gewitter geben wird, wenn diese Schwüle anhält. Haben Sie Angst vor Gewittern, Miss Bainbridge?”
“Ja, sehr.” Sie schaute sich um. “Kälte ist mir lieber als Hitze. Zu viel Sonne kann sehr belastend sein.”
“Zu viel Schnee auch.”
“Da haben Sie recht.” Amy blieb stehen. “Oh, wir sind schon fast in der Curzon Street.”
“Welch glücklicher Zufall! Ich glaube jedoch, das Gerede übers Wetter hätte uns noch über einige weitere Minuten hinweggerettet.” Jonathan stellte den Korb auf den Bürgersteig, nachdem man ihr Zuhause erreicht hatte.
Amy zögerte. Sie wollte ihn nicht hineinbitten, doch es war ein Gebot der Höflichkeit, dies zu tun. “Möchten Sie nach dem anstrengenden Tragen meiner Einkäufe eine Erfrischung, Mylord?”
Der Earl lächelte und ergriff Amys Hand. “Nein, danke. Mir ist eingefallen, dass ich eine dieser dringenden Verabredungen habe, die Sie vorhin erwähnten. Ich befürchte daher, dass ich gehen muss. Vielen Dank für Ihre Gesellschaft, Miss Bainbridge. Ich hoffe, dass Sie sich
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