Lotterie der Liebe
falsch zu stehlen, wenngleich es manchmal mildernde Umstände dafür gab.
“Das muss aufhören”, sagte sie laut.
Erstaunt schaute Jonathan sie an.
“Wie bitte? Gibt es ein Problem, Miss Bainbridge?”
“Nein”, antwortete sie. “Ich habe lediglich an die Lotterie gedacht und nicht gemerkt, dass ich meinen Gedanken ausgesprochen habe.”
“Ich verstehe. Hat die Vorstellung dieses schrecklichen Glücksspiels Sie bedrückt oder die berauschende Verlockung? Es
ist
doch verlockend, nicht wahr, so unglaublich verführerisch?”
Amy starrte den Earl an. Er war sehr scharfsinnig, was ihr in Anbetracht seines Rufs irgendwie falsch vorkam. Er war auch gefährlich. Erneut empfand sie die leichte Erregung, die sie gespürt hatte, als er über das Glücksspiel sprach. Es ging nicht einfach nur darum, unerfahrenen Spielern ihr Geld abzunehmen. Jeder fühlte diese Versuchung. Sie war heimtückisch. Vorwurfsvoll schaute Amy Seine Lordschaft an.
“Ich glaube, Sie sind sehr durchtrieben, Mylord, da Sie so überzeugend über etwas reden, das so schlecht ist.”
Er lachte. “Sie haben recht, Miss Bainbridge. Meine Durchtriebenheit kennt keine Grenzen.”
Endlich war man in der Curzon Street. Unbewusst stieß Amy einen leisen Seufzer aus und war plötzlich nicht mehr sicher, ob sie froh oder traurig sein solle, schon zu Hause zu sein. Sie war zwar einigermaßen erleichtert darüber, sich wieder auf vertrautem Terrain zu befinden, aber auch enttäuscht.
“Vielen Dank, Mylord. Es war sehr freundlich von Ihnen, mich heimzubringen.”
“Nicht der Rede wert, Miss Bainbridge.” Er verneigte sich leicht. “Ich habe Ihre Gesellschaft genossen.”
Er hielt vor dem Haus Nummer drei. Der Duke of Fleet half Amanda bereits aus seinem Phaeton. Amy fand, dass ihre Freundin aufgeregt wirkte und leicht verstört, ganz so, als fühle sie sich zwischen Sympathie und Abneigung hin und her gerissen. Amy hatte eine genaue Vorstellung davon, wie es Amanda ging.
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte der Earl of Tallant ihr einen Arm um die Taille gelegt. Er ergriff ihre Hand und hob sie aus dem Phaeton. Einen Moment lang ruhte ihre Hand auf seiner Brust, und sie hätte schwören können, den Schlag seines Herzens zu spüren. Der Eindruck war jedoch von kurzer Dauer. Amy hatte indes das Empfinden von Stärke und Kraft gehabt und verspürte ein eigenartiges Prickeln. Sie fühlte sich nicht ganz sicher auf den Beinen, nachdem Lord Tallant sie auf die Füße gestellt und losgelassen hatte.
“Einen angenehmen Tag, Miss Bainbridge, Lady Amanda.”
Der Duke of Fleet wies die mitgefahrenen Diener an, die Phaetons fortzubringen. Dann verneigten er und der Earl of Tallant sich vor den Damen und schlenderten Richtung St. James’s.
“So, das war’s dann”, sagte Amy und fühlte sich eigenartig leer. Sie fand es schwierig, den Blick von der sich mehr und mehr entfernenden Gestalt des Earl zu lösen. “Was für ein merkwürdiger Tag! Möchtest du eine Tasse Tee, Amanda? Dann können wir uns ausgiebig unterhalten.”
Belustigt bemerkte Amy, dass Amandas Blick auf dem Duke verweilte. Sie musste ihre Frage wiederholen.
“Ist mit dir alles in Ordnung, Amanda?”
“Oh ja!”, antwortete Amanda, und ihre blauen Augen glänzten. Sie wandte sich um und sah Amy an. “Ich bitte um Entschuldigung. Ich war in Gedanken. Eine Tasse Tee wäre wunderbar, Amy.” Sie warf einen Blick über die Schulter. Der Earl of Tallant und der Duke of Fleet bogen soeben in die Clarges Street ein.
“Ich frage mich … Es heißt, Seine Gnaden sei ein schrecklicher Frauenheld, und ich weiß, ich sollte ihn meiden, aber … Ja, nun! Er hat mich gebeten, ihn in der nächsten Woche zu einem Ball zu begleiten, und ich bin noch ganz und gar nicht sicher, ob ich die Einladung annehmen soll.”
“Aber du bist in Versuchung, nicht wahr?”, fragte Amy, machte die Haustür auf und bat die Freundin ins Entree. “Du magst mehr an gesellschaftlichen Umgang gewöhnt sein als ich, Amanda, aber ich finde die Begleitung von Wüstlingen und Spielern ein bisschen zu aufregend.”
“Oh, ich lebe sehr zurückgezogen, und Seine Gnaden ist für mich unerreichbar”, erwiderte Amanda. Ein belustigtes Funkeln stand in ihren blauen Augen. “Nachdem er und ich uns vorgestellt worden waren, war ich entschlossen, kühl zu ihm zu sein, denn er ist eine ganz unpassende Partie. Gleichviel, er war ungeheuer nett zu mir, Amy, und ich glaube, dass ich ihn begleiten werde.”
“Hat er mit
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