Lotterie der Liebe
Allerdings sollte Lady Amanda sich darauf einstellen, die Stadt für einige Zeit zu verlassen, bis Gras über die Sache gewachsen ist.”
“Daran habe ich schon gedacht”, sagte Amy. “Ich habe vor, sie mit nach Nettlecombe zu nehmen.” Sie hielt inne. Jetzt war der Augenblick gekommen, Jonathan nach der Wahrheit zu fragen, und deshalb war sie äußerst aufgeregt. “Du machst dir große Mühe, mir zu helfen, Jonathan, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was du für deine Schwester getan hast.”
“Wer hat dir davon erzählt, Amy? Bestimmt nicht Juliana. Das war vor langer Zeit, und zweifellos hast du eine verzerrte Geschichte gehört.”
Amy ging zu Jonathan und berührte ihn leicht am Arm. “Ich habe gehört, dass du die Schuld auf dich genommen hast, damit deine Schwester nicht ruiniert ist und Lord Myfleet heiraten konnte. Stimmt das nicht?”
“Das ist richtig”, bestätigte Jonathan. “Vermutlich hat Lady Amanda dir das gesagt. Die Sache war so”, setzte er hinzu und berichtete, dass Juliana hohe Spielschulden gemacht hatte, und zwar achtzigtausend Pfund. Da sie Myfleet liebte und nicht wollte, dass er sich von ihr zurückzog, und Jonathan obendrein genau wusste, der Vater werde ihr nie verzeihen, hatte er behauptet, diesen Betrag verloren zu haben. Zwar hatte daraufhin sein Vater nichts mehr von ihm wissen wollen, Juliana jedoch Myfleet geheiratet. Das hatte ihn zufrieden gestimmt, weil er glaubte, die Herzlosigkeit des Vaters seiner Schwester gegenüber ein wenig gutgemacht zu haben. Der Vater hatte nämlich immer angenommen, Juliana sei nicht seine Tochter.
“Sie könnte ihm doch jetzt die Wahrheit sagen”, warf Amy ein. “Du hast unnötig lange den Zorn deines Vaters ertragen müssen.”
“Das würde keinen Unterschied mehr machen”, erwiderte Jonathan kalt und wandte sich ab.
“Liegt dir nichts an deinem Vater?”
“Nicht mehr.” Jonathan wandte sich ihr wieder zu. “So, nun ist es Zeit, dass du gehst.”
“Was du für deine Schwester getan hast, war wirklich sehr großmütig und beweist, dass du einen guten Charakter hast.”
“Es beweist nichts. Aber ich wusste genau, dass du das sagen würdest.”
“Warum hältst du dich für schlechter, als du bist?”
“Das werde ich dir sagen.” Jonathan ergriff Amy an den Armen. Einen Moment lang befürchtete sie, er werde sie schütteln, doch er hielt sie nur fest. “Eine noble Geste macht niemanden zum Helden, Amy. Es ist naiv und dumm, etwas anderes zu denken. Alles, was du über mich gehört hast, trifft zu. Deshalb möchte ich nicht, dass du mich für gut hältst.” Er ließ sie so brüsk los, dass sie schwankte. “Gehst du jetzt endlich?”
“Nein”, antwortete sie. Ihre Stimme zitterte, weil sie den Tränen nahe war. “Ich werde nicht eher gehen, bis ich begriffen habe, was du mir zu beweisen versuchst.”
Aufstöhnend riss er sie in die Arme.
“Du stellst meine Geduld auf eine harte Probe, Amy. Vor zwei Stunden war ich entschlossen, dir einen Heiratsantrag zu machen, doch nun stehe ich in deiner Schuld, weil du mir vor Augen geführt hast, dass das nicht möglich ist. Was muss ich tun, damit du begreifst, dass wir nicht zusammenpassen? Unsere Welten sind so grundverschieden.”
“Du redest eine Menge Unsinn, Jonathan.” Amy legte ihm die Hand auf die Wange. Innerlich zitterte sie, wusste jedoch, dass sie das nicht zu erkennen geben durfte. Unsicherheit ihrerseits würde ihn nur in seinen quälenden Zweifeln an sich selbst bestärken, und dann konnte sie ihn nie davon befreien. Die einzige Möglichkeit war, ihm absolutes Selbstbewusstsein zu demonstrieren, obwohl sie innerlich vor Angst bebte. Dies war das riskanteste Spiel ihres Lebens.
“Ich bin es leid, auf ein Podest gestellt zu werden”, sagte sie. “Ich habe Fehler gemacht und Menschen falsch beurteilt und gedacht, ich wisse alles besser. Ich will nicht mehr wie eine Heilige behandelt werden.” Sie drückte Jonathan die Fingerspitzen auf die Lippen. “Ich will dich, Jonathan.”
Sie spürte ihn erstarren. Nach einem solchen Eingeständnis war es unmöglich, sich zurückzuziehen, selbst wenn sie das gewollt hätte. Sie legte Jonathan die Hand auf die Brust. Würde er sich nie regen, nichts sagen? Sie liebte ihn so sehr, dass sie vor Sehnsucht nach ihm fast verging. Sie hatte viel gewagt. Würde sie jetzt alles verlieren? Sie konnte nicht verhindern, dass ihr eine Träne über die Wange rann.
Jonathan neigte sich zu ihr und küsste sie ihr
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