Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Hause hinauf.
»Es war doch wirklich nett?« meinte Dolores.
»Ja, wir haben uns sehr gut unterhalten. Aber bist du nicht müde geworden?«
»Nein, nicht im mindesten. Ich bin doch nicht krank.« Dolores schaute zum Himmel auf. »Die Sonne ist schon am Untergehen. Wenn sie sich nicht beeilen, müssen sie im Dunkeln nach Hause reiten.«
Judith gab den Dienern den Auftrag, die Kerzen anzustecken, und sammelte die Karten auf, die verstreut herumlagen. Als Philip ins Zimmer trat, sah sie auf.
»Dolores hat den anderen Damen das ganze Geld abgewonnen«, sagte sie.
»Das ist ja schön. Spielst du gerne Karten, Dolores?«
»Ich habe immer viel Vergnügen daran gehabt.«
Die Amme brachte David und Christoph herein, damit sie gute Nacht sagen sollten. Dolores nahm das Geld, das sie gewonnen hatte, in beide Hände und eilte auf die Kinder zu. »Gute Nacht, ihr lieben Kleinen.«
»Gute Nacht, Tante Dolores«, sagten sie zusammen. Sie teilten die Vorurteile der Erwachsenen nicht, sondern liebten und verehrten sie.
»Hier habe ich etwas für euch. Seht einmal her. Morgen fahrt ihr mit der Mammy zur Stadt und kauft euch etwas Schönes dafür. Es ist ein Geschenk von Tante Dolores. Die Hälfte für dich, David, die andere Hälfte für Christoph.«
»Dolores!« rief Philip. »Gib es den Kindern nicht.«
»Bitte, tue es nicht«, widersprach auch Judith.
»Ach, aber deshalb wollte ich doch gewinnen. Sie sind so lieb!«
Sie war so begeistert davon, daß weder Philip noch Judith es ihr abschlagen konnten. David und Christoph, die kaum wußten, was Geld bedeutete, waren trotzdem sprachlos vor Freude über die schönen, blanken Münzen.
»Aber habt ihr denn keinen Anstand?« schalt die Amme. »Kleine Gentlemen sagen danke, wenn sie Geschenke bekommen.«
»Danke, Tante Dolores.« David sah seinen Bruder an. »Chris – bedanke dich auch.«
Christoph murmelte etwas, was wie ein Dank klang. Obwohl Judith daran zweifelte, daß es für die Kinder gut war, soviel Geld auf einmal zu erhalten, brachte sie es doch nicht übers Herz, ihr die Freude zu verderben.
»Das war sehr lieb von dir, Dolores«, sagte sie, als die Kinder gegangen waren.
»Aber ich wollte ihnen doch etwas Gutes tun.« Dolores sah lächelnd auf die Motten, die um die Kerzen auf dem Tisch flatterten. »Du bist so freundlich zu mir gewesen – ich möchte auch etwas für die Kinder tun. Und ebenso für euch«, fügte sie leise und zärtlich hinzu.
Philip wurde immer verlegen, wenn andere ihm ihren Dank ausdrückten. »Ich wünschte nur, du könntest mir auch beibringen, so gut zu spielen«, lenkte er ab.
»Ach, das ist nicht schwer.« Dolores nahm ein Pack Karten. »Ich will es dir zeigen. Ich weiß nicht viel, aber sieh einmal her!«
Sie mischte die Karten und begann auszuteilen. Judith hielt den Atem an. Philip trat näher und sah Dolores über die Schultern.
Sie bewegte die Hände so schnell, daß man ihren Fingern kaum folgen konnte. Einmal teilte sie so aus, daß der eine Mitspieler nur Karten von derselben Farbe bekam und ein anderer abwechselnd die Hälfte von der einen und die Hälfte von der anderen Farbe erhielt. Dann schlug sie die Karten wieder zusammen und teilte so aus, daß alle hohen Werte in einer Hand zusammenkamen und die anderen nur niedrige erhielten. Dabei lachte sie leise.
»Um Himmels willen«, sagte Philip, »das hast du in meinem Hause getan?«
»Aber selbstverständlich. Ich will dir zeigen, wie man es macht. Ein Herr, der auf den Passagierbooten spielte, hat es mir beigebracht. Viele seiner Tricks habe ich nicht lernen können. Ich bin zu dumm. Aber dies hier ist einfach. Zuerst hatte ich es vergessen, aber dann fiel es mir wieder ein. Es ist so leicht, wenn man es kann.«
Philip sammelte die Karten auf und warf sie ins Feuer, ohne ein Wort zu sagen.
Aber Judith hatte ihre Stimme wiedergefunden.
»Du niederträchtige – Spitzbübin!« rief sie.
Dolores schob den Stuhl zurück und atmete schwer. »Aber – Judith!«
Judith überlief es heiß und kalt.
»Dolores – Dolores«, sagte sie langsam, »wie konntest du das tun!«
»Sei still, Judith«, warnte Philip.
Dolores stand auf und lehnte sich an den Kamin. Philip nahm freundlich ihren Arm. »Willst du nicht lieber auf dein Zimmer gehen, Dolores? Wir können nichts dafür, daß wir entsetzt sind, aber wir verstehen, daß du nicht wußtest, wie wir darüber denken.«
»Laß mich los!« Sie schüttelte seinen Arm ab. »Du hast es leicht, gut zu sein. Man muß Geld
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