Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
den Käse aufgegessen, aber sie wollte gern noch ein wenig sitzenbleiben und sich mit dem Mann unterhalten. Draußen schlug der Regen gegen die Fenster. Es goß in Strömen.
    »Hat man viele Neger in der Gegend, aus der Sie kommen?« fragte sie, als er sich wieder setzte.
    »Im Hinterland nicht. Aber an der Küste bei Savannah gibt es viele. Ich bin nie dort gewesen und habe überhaupt wenig Schwarze getroffen, bevor ich nach Louisiana kam.«
    »Warum sind Sie eigentlich hierhergegangen, wenn Sie doch kein Land hatten?«
    »Nun, Madame, zu Hause stand es nicht besonders gut. Maulwurfsgrillen sind in die Maisfelder gekommen, und das gibt immer eine schlechte Ernte. Die Leute sagten, Louisiana wäre ein neues Land, da gäbe es viel zu tun und jeder könnte Arbeit finden. So habe ich mich mit meiner Frau aufgemacht und bin hierhergekommen.«
    »Ach, Sie sind verheiratet?« Dolores war überrascht. Seine Frau schien sich nicht viel um ihn zu kümmern.
    »Nicht mehr, Madame. Sie bekam ein Kind und starb bei der Geburt – ein Jahr, nachdem wir hierhergezogen waren.«
    »Wo ist denn das Kind?« fragte Dolores eifrig.
    »Das ist auch gestorben, Miß Dolores. Wissen Sie, ich verstehe nicht viel davon, wie man kleine Kinder wartet.«
    »Es tut mir leid, daß Sie so viel Unglück hatten.«
    »Ja, Madame, es hat mich auch schwer mitgenommen. Das sage ich ganz offen.«
    Sie nahm die Kerzen in die Hand, die neben ihrem Teller lagen. »Ich habe auch ein Kind«, sagte sie dann leise.
    »Was Sie nicht sagen! Ein kleines Mädchen?«
    »Nein, einen Jungen.«
    »Meines war ein Mädchen.«
    Sie sah nicht auf.
    »Ist Ihr Junge auch gestorben?« fragte er nach einer Pause.
    »N-nein. Nein, dem geht es gut. Mein Mann hat ihn bei sich.«
    »Aber ich dachte, Sie sagten – entschuldigen Sie bitte, Miß Dolores.«
    Tränen traten in ihre Augen. Sie biß sich hart auf die Lippen und schluckte.
    »Ich wollte Ihnen nicht wehe tun, Madame.«
    Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und preßte die Fäuste gegen die Augen. Am entfernten Ende des Tisches hatte jemand ein anderes Lied begonnen, und viele sangen mit. Es war ein gemeiner Text, und man galt nicht als anständige Frau, wenn man ihn verstand. Dolores fühlte, daß ihre Tränen versiegten, und schaute auf. Sie hatte schon zuviel geweint.
    Thad Upjohn beobachtete sie mit aufrichtigem Mitleid.
    »Sie haben mir nicht weh getan«, erwiderte sie. »Ich war nur traurig. Ich kann nichts dafür. Ich habe einen Mann gehabt«, fuhr sie plötzlich heftig fort, »aber er hat mich aus dem Haus geworfen. Ich war nicht gut genug für ihn.«
    »Ach.«
    »Ich war nicht gut genug für ihn«, wiederholte sie, »aber mein Kind hat er behalten. Vielleicht haben Sie schon von ihm gehört. Er heißt Sheramy.«
    Thad sah sie betroffen an. »Um Himmels willen, Sie meinen doch nicht die Sheramys von Silberwaid?«
    Sie nickte.
    »So – so.«
    Allem Anschein nach fiel Thad im Augenblick nichts anderes ein. Aber gleich darauf fuhr er fort: »Sagen Sie, Miß Dolores, das ist wirklich zu schlimm.« Er schüttelte den Kopf.
    Plötzlich erzählte sie ihm alles. Sie fügte nichts hinzu, und sie beschönigte auch nichts. Es war eine große Beruhigung für sie, daß sie zu einem anderen einmal vollkommen ehrlich und offen über sich selbst sprechen konnte. Jetzt kam ihr deutlich zum Bewußtsein, wie schwer und furchtbar es gewesen war, immer in einer Nebelwolke erfundener Geschichten zu leben, ständig auf der Hut zu sein und sich an alles erinnern zu müssen, damit keine Widersprüche entstanden.
    Thad hörte schweigend zu und klopfte ihr nur ab und zu auf die Hand.
    »Das ist alles«, sagte Dolores schließlich. »Ich habe das Geld gestohlen, und ich habe auch einige Silbersachen mitgenommen. Ich dachte, daß ich sie vielleicht hier verkaufen könnte. Warum ich das getan habe, weiß ich nicht. Vielleicht hatte ich vorige Nacht den Verstand verloren.«
    Es trat eine Pause ein.
    »Dazu hatten Sie allen Grund, liebe Miß Dolores«, erwiderte Thad langsam. »Es wäre anderen auch so gegangen.«
    »Was soll ich aber jetzt anfangen?« fragte sie ihn.
    Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich das nur wüßte, Miß Dolores.«
    Sie rang die Hände im Schoß. Es war spät geworden. In dem Gastzimmer roch es übel nach Kerzen und Tabak, Bier und Schnaps. Am anderen Ende des Raumes war es zwischen zwei Männern zu einer Schlägerei gekommen. Alle anderen mischten sich ein, riefen den beiden zu und nahmen für den einen oder anderen

Weitere Kostenlose Bücher