Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
betrunken nach Hause kommen würde. Und wenn der Krieg vorüber war und die Schiffe wieder regelmäßig verkehrten, konnte sie nach Neuorleans fahren.
»Hören Sie«, sagte sie, »wenn Sie nicht nach Neuorleans gehen wollen, soll es mir recht sein. Ich bleibe auch hier in Dalroy. Ich habe genug Geld, daß wir uns irgendwo ein Zimmer mieten können. Wir leben von dem, was ich noch habe, bis Sie wieder Arbeit bekommen. Lassen Sie mich bei Ihnen bleiben. Ich werde Ihre Kleider flicken, dann sehen Sie auch besser aus. Und ich kann sehr gut kochen, das dürfen Sie glauben. Lassen Sie mich nicht im Stich!«
Thad grinste und legte einen Arm um ihre Schultern. »Also gut, kommen Sie mit. Ich glaube schon, daß wir beide uns verstehen werden.«
»Bestimmt! Warten Sie. Ich muß mich erst anziehen, aber das dauert nicht lange.«
10
I n diesem Sommer erklärte Spanien England den Krieg.
Als die Leute am Fluß diese Neuigkeit hörten, waren sie teils bestürzt, teils belustigt. Das bedeutete so viel, daß die Kreolen in Neuorleans und die Engländer in Westflorida Feinde waren. Aber die große Stadt zwingen zu wollen, gegen ihr eigenes, reiches Hinterland Krieg zu führen, war ein Wahnsinn, und die Leute fragten sich verwundert, ob ihre Könige von Gottes Gnaden den Verstand verloren hätten. Zum erstenmal kam ihnen zum Bewußtsein, wie groß der Atlantische Ozean war und wie wenig die Herrscher jenseits des Meeres von Amerika wußten. Die Kreolen in Louisiana waren den amerikanischen Rebellen immer freundlich gesinnt gewesen. Sie waren meist französischer Herkunft, und Frankreich schickte ja auch Soldaten, um den großen General zu unterstützen, der hier unten im Süden nur nebelhaft als Mr. Vasinton bekannt war. Aber weder sie selbst noch die Engländer, die weiter stromauf wohnten, waren in ihrer Vaterlandsliebe fanatisch genug, um ihren besten Kunden den Hals abzuschneiden.
»Ich für meinen Teil«, sagte Philip Larne zu Walter Purcell, »hatte keinen Streit mit König Georg. Aber wenn er glaubt, daß ich Krieg gegen den einzigen Hafen führe, der für uns einen Ausgang zur See bedeutet –«
Walter Purcell lachte und fragte, wie es nur möglich gewesen sei, daß der amerikanische Aufstand zu einem Weltkrieg hatte werden können.
Philip antwortete, daß er das auch nicht wüßte. Aber wenn ein gewisser Fürst von Hannover etwas mehr Verstand als eine Steckrübe besessen hätte, wäre es nicht so weit gekommen. Wahrscheinlich würde er dadurch Westflorida und vermutlich auch die dreizehn anderen englischen Kolonien an der Küste verlieren.
»Aber im Ernst«, fragte Judith, »was wird aus uns werden?«
»Ach, darum brauchen wir uns wirklich nicht zu sorgen«, beruhigte Philip sie. »Es hängt natürlich alles vom Gouverneur Galvez in Neuorleans ab, und der ist kein Dummkopf. Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, daß das Gebiet am Mississippi in zwei verschiedene Länder geteilt ist?«
Philip ließ seine Frau nicht mehr zum Einkauf nach Dalroy fahren. Er sagte, es gäbe zuviel Lärm und Aufregung am Kai, als daß eine Dame dorthin gehen könnte. Aber abgesehen von diesen Vorsichtsmaßregeln nahmen die meisten Kolonisten in der Gegend von Dalroy den Krieg mit Neuorleans nicht ernst.
Eine Woche nach Bekanntwerden des Kriegszustandes kam ein Bote von Lynhaven und brachte Judith einen der charakteristischen Briefe von Gervaise.
»Ich weiß, daß ich nun als Kreolin Eure Feindin bin«, schrieb sie. »Wenn Du und Philip das vergessen wollt, wäre es mir eine große Ehre, wenn Ihr am Donnerstagnachmittag um drei Uhr mit uns speisen würdet. Ich weiß nicht, warum jetzt plötzlich Krieg ist. Walter hat mir gesagt, ich würde es auch nicht verstehen, selbst wenn er versuchen wollte, es mir zu erklären. Ich glaube, er weiß es selbst nicht – aber bitte, sage ihm das nicht. Hast Du schon gehört, daß Deine Freundin Mrs. Ste. Claire von Pennsylvania Zwillinge bekommen hat? Es sind Mädchen. Jetzt haben sie sieben Töchter, und wenn sie nicht bald anfangen, für die Aussteuern zu sparen, beneide ich sie nicht, wenn die Mädchen später einmal heiraten sollen. Bis jetzt habe ich nur Babette, aber unser Geschick liegt in Gottes Hand. Hast Du etwas von Dolores gehört? Deine Gervaise.«
Judith antwortete, daß sie sich glücklich schätzen würden, zu ihnen zum Essen zu kommen, daß auch ihr dieser Krieg unbegreiflich wäre und daß sie nichts mehr von Dolores gehört hätte.
Alle Leute sprachen vom Krieg, aber
Weitere Kostenlose Bücher