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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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eine Bürde. Sie betrachtete ihre dunkelschönen Augen, ihr festes, klar umrissenes Profil; frische Luft und Arbeit hatten ihr eine Haut verliehen und ebensoviel Anmut, wie eben erblühte Blumen sie besitzen. Sie erinnerte sich der milchigen Blässe Anns und ihres weichen, zarten Knochenbaus, der ohne Widerstand in jedes modische Korsett zu zwängen war. Und mit einem Male wurde Corrie May so heftig von diesem Gefallen an sich selbst überwältigt, als bohrte sich ihr ein Pfeil ins Herz. In unbeschreiblicher Ekstase, die sie am ganzen Leibe fliegen machte, schlug sie die Hände vors Gesicht und ließ sich auf ihr Bett sinken, schluchzend vor nie erlebtem Glück und unerhörter Befriedigung.
    So fand Gilday sie vor, als er ins Zimmer trat; er erschrak. Er faßte sie bei der Schulter und wollte wissen, was sich um alles in der Welt ereignet hätte. »Hat dir irgendeiner der beschwipsten Burschen etwas Unhöfliches gesagt?«
    »Nein, nein!« schluchzte Corrie May. »Keiner hat was Übles gesagt. Es ist nur alles so wunderbar! Deshalb muß ich weinen!«
    Gilday lachte sie aus: »Du bist ein süßer verdammter kleiner Wirrkopf!« sagte er.
    Sie versuchte nicht, weiteres zu erklären. Für ihre intimen Empfindungen bekundete Gilday kein besonderes Interesse; und Corrie May war vom Leben viel zu eindringlich zur Nüchternheit erzogen worden, als daß sie von Gilday etwas anderes erwartete. Aber er hatte sie gern, und sie bemühte sich unermüdlich, ihn zufriedenzustellen; nie zankten sie sich –!
    Sie rühmten sich ganzer Kompanien von neuen Freunden und Bekannten; jeden Abend hatten sie das Haus voller Gäste. Steueragenten und Beauftragte des Amtes für die befreiten Sklaven, dazu ein Haufen anderer Männer aus dem Norden, die nicht einmal dem Namen nach die Bundesregierung repräsentierten, sich aber alle schon nach kurzer Zeit in staatliche Stellen und Ämter wählen ließen. Sie brachten ihre Mädchen mit, die ebenso wie Corrie May allen Sorgen und Bedenken gründlich abhold waren. Mr. Dawson erschien mit seiner neuen Gattin; sie hörte auf den Namen Laura, und wo er sie aufgesammelt hatte, das ahnte kein Mensch. Sie hatte es fertiggebracht, ihn in einer schwachen Stunde, als er betrunken war, vor den Standesbeamten zu schleppen; nun war sie ›richtig‹ mit ihm verheiratet, und sie durfte ihr Näschen hoch in die Lüfte strecken und eifrig darauf achten, daß jedermann sie mit ›Mrs. Dawson‹ anredete. Corrie May beobachtete sie erheitert, aber nicht ganz ohne Neid. Gildays Freundin zu sein bedeutete zwar wesentlich mehr, denn Gilday verdiente zweimal soviel Geld wie Dawson; er war viel tüchtiger und schlauer als Dawson, aber auch deshalb viel zu schlau, sich je zu betrinken. Es kam nicht viel darauf an. Die Leute bewunderten Gilday wesentlich eifriger als Dawson und mochten Corrie May viel lieber als Laura mit ihren angestrengt feierlichen Allüren.
    Gilday äußerte die Absicht, im August eine ›wirklich große Gesellschaft‹ zu geben. Corrie May machte sich beglückt daran, sie vorzubereiten mit Gelees und Salaten, Kuchen und Torten, dazu alkoholischen Getränken in solcher Fülle, daß jeder, der Lust dazu verspürte, sich einen Rausch antrinken konnte. Und für sich selber ersann sie ein Kostüm so fabelhaft, daß schon der bloße Plan sie schwindeln machte.
    Die Phantasie, die der Krieg auf halbe Rationen gesetzt hatte, durfte sich in diesem Jahre 1867 endlich wieder einmal austoben. Das Land erholte sich langsam von den Anstrengungen des Krieges, und wie, um auch äußerlich darzutun, daß man sich wieder in harmloserer Aufregung entspannen durfte, war die Damenmode wild geworden. Die Kleider wurden derart mit Verzierungen überladen, daß ihr Gewicht die Kräfte schwächlicher Personen zuweilen überstieg; sechzig Jahre lang hatte man flachsohlige Schuhe getragen; nun schossen die Absätze plötzlich vier Zoll hoch in die Höhe. Die Mode, das obere Hinterteil des Rockes über ein vorgebuchtetes Drahtgestell zu ziehen und einen halben Meter im Umkreis die Stoffe darüberhin zu drapieren, machte es den Damen so gut wie unmöglich, sich niederzusetzen, während gleichzeitig die hohen Absätze es ebenso schwierig machten, zu stehen und zu gehen; ein falscher Haarknoten, der an der Hinterseite der Frisur befestigt werden mußte, besaß gut und gern ein Gewicht von einem Pfund und verursachte schon nach kurzer Zeit stechende Schmerzen im Nacken. Doch der Krieg war vorbei, und jedermann hatte die Pflicht,

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