Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
sich vor spektakligem Übermut schlechterdings zu überschlagen – wer mochte noch daran erinnert werden, daß man über eine Million von Gräbern hinwegtanzte. Um die Mittsommerzeit genügten Falbeln, Volants und Schleifen nicht mehr, und eine noch extravagantere Dekoration erschien auf dem Plan: Pfauenfedern!
Man steckte sich ganze Sträuße von Pfauenfedern an den Busen; man garnierte die Röcke damit und stolzierte mit Sonnenschirmchen einher, die ganz und gar aus Pfauenfedern bestanden; man drapierte sie um den Rand der Hüte oder hängte je eine an das Ende der langen Bänder, mit denen man sich die Kappen unter dem Kinn zusammenband; anstatt einer seidenen Rosette auf dem Ballschuh trug man eine Pfauenfeder, und die Damen von Welt standen nicht an, sich Pfauenfedern ins Haar zu stecken, die verführerisch über die reichen Wellen von falschen Locken herniedernickten. Man kaufte sich Busenbroschen, die in halb oder gar nicht edlen Steinen Pfauenfedern darstellten; kleine Fleckchen von schillerndem Samt wurden damit garniert, und selbst in den Mustern für Bettlaken, Fenstervorhänge und Geschirrtücher tauchten sie auf.
Und wenn man in diesem Pfauenfedern-Sommer eine Gesellschaft gab, dann bestellte man Eis, Berge von Eis, das aus dem Norden nach dem warmen Louisiana geschafft wurde – zu Schiff wie in vergangenen Zeiten. Und das Eis wurde zerstampft, gefärbt, in Pfauenfeder-Formen gepreßt, in anderes Eis gepackt, damit es abermals fest gefror, und dann süß und bunt und kalt aufgetragen. Die Pfauenfedern schmolzen endgültig erst auf den Zungen der Gäste.
Corrie May hielt das komplizierte Verfahren für eine herrliche Idee. Vier Tage vor ihrer Gesellschaft stattete Corrie May dem Leiter der Eistransporte einen Besuch ab. Ob er ihr das Eis in den bewußten Pfauenfarben und Formen liefern könnte? Gewiß, das könnte er wohl, nur der Preis …
»Der Preis spielt keine Rolle«, sagte Corrie May. »Ich habe vierundfünfzig Leute eingeladen, und wir müssen für jeden zwei Portionen rechnen. Und dann brauche ich natürlich noch weiteres Eis für die Getränke.«
»Das macht zusammen einen ganzen Berg von Eis aus«, bemerkte der Mann zweifelnd. »Ich muß ja die Pfauenformen auch noch wieder in Eis packen, und mehr als acht bringe ich in einem Kübel nicht unter; sonst sind die bunten Federn nicht mehr fest und frisch, wenn sie serviert werden.«
Corrie May zog ihr Portemonnaie hervor und begann, vor seinen Augen Dollarnoten abzuzählen. Der Blick des Eismannes wurde seltsam starr und abwesend. Er atmete beklommen.
»Hmmmm«, brachte er schließlich heraus. »Die Zeiten sind schlecht, ja, die Zeiten sind schlecht. So viel Eis wie früher ist beim besten Willen nicht mehr zu verkaufen. Die Schiffe brachten auch nicht mehr so viel heran.«
»Könnten Sie mir nicht einige Pfund extra bestellen?« erkundigte sie sich.
»Das kann ich natürlich!« rief er eifrig aus. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Madame. Ich sage von jetzt ab allen anderen Kunden, daß Sie das gesamte Eis vorbestellt haben, das bis zum nächsten Dienstag eintrifft; und außerdem bestelle ich noch hundert Pfund extra.«
»Damit bin ich selbstverständlich einverstanden!« erwiderte Corrie May großartig. Sie nahm eine Zeitung vom Tische auf und fächelte sich damit Luft zu. Es war ungewöhnlich heiß, selbst für August; sie hatte ihren Wagen genommen, um wegen des Eises zu verhandeln, fühlte sich aber jetzt genauso schlaff, als wäre sie zu Fuß gegangen. »Ich meine aber, Sie sollten lieber einhundertfünfzig Pfund extra bestellen«, fügte sie hinzu. »Die Hitze ist ja toll; da kann man gar nicht genug Eis im Hause haben.«
»Jawohl, Madame!« entgegnete er voll Ehrfurcht. »Nur – wenn ich so sagen darf – für einen Extra-Auftrag wird gewöhnlich im voraus bezahlt.«
»O bitte!« sagte Corrie May und legte einen Packen Banknoten auf den Tisch. Mit ihren Zählkünsten stand es nicht zum besten; so fügte sie hinzu: »Zählen Sie sich Ihr Geld ab. Die Scheine beschmutzen mir die Handschuhe.«
»Gewiß, Madame, bitte sehr, Madame! Ganz zu Ihren Diensten! Ich bin so frei! Und wenn ich das noch sagen darf, Madame, es ist eine feine Sache heutzutage, wenn man bar bezahlt bekommt. Ich weiß das bestimmt zu schätzen, Madame, bestimmt, Madame.«
Corrie May beobachtete ihn mit geheimem Abscheu. Der hungrige Griff, mit dem sich seine Finger um die Geldscheine schlossen, war ihr nur allzu vertraut. Ich werde mich kaum sehr viel
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