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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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sagte Mammy und watschelte hinaus. Ann stellte die Kaffeetasse fort, fuhr mit den Füßen in die Pantöffelchen, die vor dem Bett auf sie warteten, und huschte zu dem Waschständer hinüber, um sich mit einer Handvoll Wasser die Augen auszuspülen. Sie betrachtete sich einen Augenblick lang im Spiegel. Jerry behauptete stets, daß sie die Hälfte ihres Lebens vor dem Spiegel verbrächte – eine Beschuldigung, über die Ann zu lachen pflegte, ohne sie zu bestreiten. Kein Zweifel: sie mochte alles andere sein – häßlich war sie nicht. Selbst noch in ihrem zerdrückten Nachtgewand – mit den Haaren über der Stirn in Lockenwickeln – bot sie ein Bild, das ihren Bewunderer Denis hingerissen hätte. Ann wandte sich vom Spiegel fort. Sie mußte endlich zu einem Entschluß kommen. In einer Woche war ihr zwanzigster Geburtstag fällig. Der zwanzigste – ein abscheuliches Alter; es war so endgültig, setzte einen Punkt hinter die Mädchenzeit; man war damit unweigerlich über die Grenze gezerrt, jenseits welcher das erwachsene Dasein nicht mehr abzuleugnen ist. Es wurde Zeit zu heiraten. Ann hatte, solange sie lebte, nicht viele Entscheidungen treffen müssen; diese wenigen hatte sie so gefällt, wie es ihr der Augenblick eingab; je weniger man sich dabei anstrengte, desto besser. Das Leben war bisher sehr freundlich mit ihr umgegangen; wenn sie Denis Larne heiratete, brauchte sie auch in Zukunft sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Die Aussicht schien verlockend –!
    Es klopfte an der Tür. »Ja!« rief Ann in der Annahme, daß Mammy das Bad bereitet hätte.
    Statt dessen hörte sie Jerrys Stimme. Er drückte die Klinke nieder. Ann griff schnell nach einem Morgenrock. Jerry brachte ein Paket ins Zimmer. »Bist du endlich aus dem Bett?« begrüßte er sie.
    »Das siehst du ja«, sagte Ann. Sie verehrte ihren Bruder sehr. Eigentlich trug er den Namen seines Vaters, Cyril. Aber die Mutter hatte gelegentlich damit begonnen, ihn kurzerhand Jerry zu nennen; dabei war es geblieben. Jerry war umgänglich, vergnüglich, häßlich und besaß gesunden Menschenverstand – sie stritt sich häufig mit ihm, hörte aber auf seine Ratschläge mit großem Respekt.
    »Ein Geschenk für dich!« sagte er.
    »Was ist es?«
    »Keine Ahnung! Denis hat es herübergeschickt.« Jerry breitete sich auf einem Stuhl aus; er wirkte unbeholfener denn je gegen das zierliche Möbel mit den dünnen Beinen und dem blaßblauen Damastpolster.
    Ann hockte sich auf den Flur und nahm entschlossen den Kampf mit den Schnüren auf, die das Paket zusammenhielten. Schließlich hob sie den Deckel: ein Strauß wunderschöner, weißer Rosen kam zum Vorschein.
    »Sieh an, wie schön!« bemerkte Jerry. Unvermittelt fragte er: »Ann, wie ist das also? Willst du Denis heiraten oder nicht?«
    Sie richtete sich auf, saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden. »Ich weiß nicht. Was geht es dich an?«
    »Entschuldigen Sie, mein Fräulein!« Jerry grinste gewaltig und reckte seine langen Arme: »Ich habe dunkle Gerüchte vernommen, daß er wehklagend die Wälder durchschweife, wilde Drohungen auf den Lippen, sich sein kostbares Leben zu nehmen.«
    »Ach, sei still! Ich wollte, die Leute hörten endlich auf, mich auszulachen!«
    Jerry pfiff leise durch die Zähne; sein großer Mund verzog sich absonderlich.
    »Du siehst wieder aus wie ein Affen-Großvater«, sagte Ann. Sie stand auf und legte die Rosen auf den Sims des Kamins; das Weiß der Blüten hob sich schimmernd gegen den Marmor; die Adern des Steingesimses schienen in schwarzen Schatten zu verdämmern. »Sag mir endlich, Jerry, was du denkst! Soll ich Denis heiraten?«
    Jerry hörte auf zu pfeifen; er beugte sich auf dem gebrechlichen Stühlchen vor und verschränkte die Hände zwischen den Knien. »Natürlich sollst du! Er ist ein prächtiger Bursche. Ich weiß nicht, warum du zögerst!«
    Sie blickte an ihm vorbei; ohne es zu wissen, knüpfte sie den Gürtel ihres Morgenrockes unablässig auf und wieder zu: »Vielleicht – vielleicht ist er mir zu prächtig. Hier bei uns – du weißt ja – –: wir sind nicht sehr für Förmlichkeiten. Aber auf Ardeith – ich meine, wenn ich erst Mrs. Denis Larne bin, werde ich nicht nur ein Mensch, sondern auch ein Begriff zu sein haben. Und das wird mir schwerfallen.«
    »Glaube ich nicht! Dir nicht!«
    Sie kam einen Schritt näher: »Jerry, erwartet er von mir, daß ich ihm den Haushalt führe wie seine Mutter, in den Wäschekammern krame, jede Woche das Silber

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