Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Rechten Kamine aus weißem Marmor prunkten – eine Einrichtung, die für die romantisch gesonnenen Sheramys bezeichnend war; sie liebten in jeder Hinsicht die Abwechslung. Die Türgriffe und Angeln im Erdgeschoß bestanden aus Silber, aber die Klinken im ersten Stockwerk waren aus Dresdner Porzellan gefertigt mit kleinen rosa und blauen Blumen darauf. Es war ein echtes Herrenhaus; nicht nur das, es war auch schön. Zwar gab Denis dem eigenen stets den Vorzug; aber das war zweifellos nur in der Tatsache begründet; er war auf Ardeith geboren und gedachte, dort auch zu sterben.
Oberst Sheramy erschien im Salon, um Denis zu begrüßen: ein großer, wortkarger Mann in den Fünfzigern mit weißem Haar und ernstem Gesicht. Die meisten seiner Bekannten blickten mit einiger Ehrfurcht zu ihm auf. Nach wenigen Minuten ließ er den Gast und die Tochter wieder allein, und Denis konnte sich Ann ungestört widmen. Sie hatte auf dem Sofa Platz genommen, ihre weiten Röcke um sich ausgebreitet, und plauderte über lauter Belanglosigkeiten – wie heiß das Wetter sich anließe und wie trist es daheim wäre um diese Jahreszeit. »Ich war entsetzlich böse«, fuhr sie fort, »als Vater uns aus Saratoga zurückkehren ließ.«
»Wolltet ihr denn den ganzen Sommer dort verbringen?«
»Ich hatte es gehofft. Aber Vater hat brieflich einen neuen Aufseher einstellen müssen und hielt es für unmöglich, die ganze Baumwollernte einem Unbekannten anzuvertrauen. Er erlaubte mir nicht, allein in Saratoga zu bleiben.« Sie schlug die Augen nieder und spielte mit den Fingern im Schoß. »Denis –!« sagte sie.
»Was denn, Liebes?«
Anns Mundwinkel zuckten verräterisch, aber ihre Stimme klang höchst ernsthaft: »Ich glaube, ich darf es dir nicht verschweigen: ich habe mich in Saratoga sehr schlecht betragen.«
Denis lachte leise: »Ich glaube nicht daran.«
»Doch, es ist so! Man redete sogar über mich. Die alten Damen nannten mich ›jene leichtfertige, junge Person aus dem Süden‹.«
»Meine Teure«, sagte Denis, »ich habe die Beobachtung gemacht, daß alte Damen eine junge Dame gewöhnlich dann für leichtfertig halten, wenn die Herren eifriger ihr den Hof machen als den unverheirateten Töchtern, die sie selbst noch unterzubringen haben.«
Ann kicherte leise. »Du bist sehr verständnisvoll. Doch ich hielt es für nötig, dich zu unterrichten. Was hast du da?« fragte sie, denn Denis hatte sich gebückt und etwas vom Teppich aufgehoben.
»Dies fiel dir aus der Tasche.« Er hielt ihr Riechsalz hoch, eine kleine Flasche in einem Behälter aus Silberfiligran. Er ließ seine grauen Augen neckend auf ihr ruhen: »Wozu brauchst du das?«
Ihre Aufrichtigkeit wirkte entwaffnend: »Ein Theatermittel, Denis!« erwiderte sie der Wahrheit gemäß; er lachte laut heraus:
»Dachte ich mir, Ann! Du bist unglaublich!«
»Und du schreckenerregend! Ich trau' mich nie, dir etwas vorzuflunkern!«
»Solltest du auch nicht! Du hast nicht viel Talent zum Flunkern.« Er beugte sich über sie, als wollte er sie küssen; aber sie wich ihm aus.
»Nein –! Wenn du dich so benehmen willst, dann fährst du lieber nach Hause.«
»Kann ich wenigstens noch lange genug verweilen, um dir zu sagen, daß du bezaubernd aussiehst!«
»Bei Kerzenlicht sieht jede Gans bezaubernd aus. Du mußt nach Hause fahren!«
Denis betrachtete sie nachdenklich. Die weiten Röcke bauschten sich um sie her. Sie glich einer großen umgestülpten Blüte. Sie besaß eine köstliche Figur: eine allerschmalste Taille, vollkommen geformte Schultern und hohe, runde Brüste. Die Brüste waren durchaus nicht vorgetäuscht. Denis fragte sich manchmal, ob es wirklich Männer gab, die sich betrügen ließen, wenn flachbrüstige Mädchen sich kunstvolle Polster ins Unterzeug nähten. Er war nicht ganz sicher, ob die Wellen ihres Haares natürlichen Ursprungs waren; das Haar selbst, üppig und echt und goldenbraun, umrahmte ihr Antlitz mit seidenen Gespinsten. Seine Augen glitten über ihre Züge: die Natur hatte offenbar die Absicht gehabt, sie klassisch zu gestalten; aber sie waren ebensoweit von griechischer Gemessenheit entfernt wie die Hyazinthen der feuchten Urwälder von sagenhaften Asphodelosblüten: eine gerade, hochmütige Nase, ein Mund, üppig und eigensinnig, und große Augen, die um einige Schatten tiefer noch dunkelten als ihr Haar. Ihr Kinn schien zu unvermittelt eckig, um schön zu sein, aber es trug ein versöhnendes Grübchen – und noch ein anderes Grübchen
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