Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Indianer aus dem Bilderbuch verwechseln. Sein blaues Hemd klaffte am Hals weit offen; die Ärmel hatte er bis zu den Ellbogen aufgerollt; die groben Hosen waren an den Knien sorgfältig geflickt. Gute, reiche Erde verkrustete seine Füße. Corrie May musterte ihn vom Kopf bis zu den Flicken an seinen Knien, fast ohne es zu merken. Ihr machte keiner weis, ein Mann wäre imstande, seine Hosen so sauber zu flicken; irgendein weibliches Wesen versorgte ihn, das war sicher. Es kann mir ja gleich sein, versicherte sie sich im stillen; aber es war ihr nicht gleich.
»Guten Tag!« nahm sie scheu die Unterhaltung auf.
»Du siehst wirklich großartig aus!« schrie Budge. »Du sollst jetzt auf Ardeith arbeiten, hab' ich gehört. Wie wirst du denn da behandelt?«
»Oh, ganz gut«, sagte Corrie May – wenn sie doch nur ihre Augen von den Flicken auf seiner Hose abwenden könnte! »Dir scheint es auch nicht gerade schlechtzugehen.«
Ein stolzes Grinsen flog über das Gesicht des Mannes. »O ja, mir geht's gut. Das kann ich wohl sagen!« meinte er herzhaft. Mit einer weiten Handbewegung wies er ihr sein Feld: »Sieh es dir nur an! Ist es nicht ein schöner Platz? Du hättest ihn mal sehen sollen, als ich ihn übernahm; inzwischen hat er sich gewaltig verändert. Ich habe im letzten Herbst einen halben Ballen Baumwolle vom Morgen erzielt. Und in diesem Jahr hole ich noch mehr heraus. Wenn du es nicht eilig hast, sieh dir mein Land doch ein bißchen an. Ich zeige es dir. Hinter dem Haus habe ich Mais gepflanzt und Tomaten – «
Corrie May blickte an ihm vorbei zu seiner Hütte hinüber: sie hatte sich nicht getäuscht; da ging doch jemand im Innern der Behausung auf und ab; und der Jemand trug Röcke –! Sie fragte nicht sehr freundlich:
»Budge, was ist das für eine Frau da drüben?«
Budge wandte sich um und warf einen Blick zur Tür seines Hauses hinüber. Im selben Augenblick brach er in ein prustendes Gelächter aus, wollte sich schier ausschütten vor Lachen. Er schlug dröhnend mit der Faust auf das Seitenbrett des Wagens und schrie: »Du bist mir eine! Du bist mir eine!« und lachte noch lauter.
»Ich glaube, daß es Zeit ist, weiterzufahren«, sagte Corrie May voller Würde. »Der Neger auf dem Bock muß noch verschiedenes besorgen, bevor wir zur Stadt fahren können. Zum Herumstehen haben wir wirklich nicht viel Zeit.«
Budge faßte sie beim Arm: »Ach, sei doch friedlich. Warum hast du solche Eile?« Er fing von neuem an zu lachen. »Das ist ja niemand weiter als meine Schwester Ethel. Sie ist zu mir herausgezogen, seit ihr Mann zu den Soldaten gegangen ist. Ethel!« schrie er über seine Schulter, »komm mal heraus! Wir haben Besuch bekommen.«
Corrie May fühlte plötzlich ihr Herz klopfen; es schlug ganz laut. Was Budge tat oder nicht tat, das scherte sie nicht im geringsten; doch sonderbarerweise fühlte sie nach Budges Worten solche Erleichterung, daß sie unwillkürlich mitlachen mußte. Ethel kam den Pfad entlanggelaufen. Sie hatte ein sauberes Baumwollkleid an; das Haar fiel ihr, zu einem kurzen Zopf geflochten, steif den Rücken hinunter. »Nein, so was, so was! Die Corrie May!« hieß Ethel sie herzlich willkommen. »Du kommst doch ein bißchen herein und bleibst für ein Weilchen!«
»Das ist sehr nett von dir, Ethel!« antwortete Corrie May zögernd. »Aber ich muß wirklich nach Hause!«
»Ach, komm doch ein bißchen herein! Wir bekommen so selten Besuch hier draußen. Wir freuen uns, daß du da bist. Wenn der Kutscher nicht so lange warten will, fährt Budge dich nach Hause. Was meinst du, Budge?«
»Gewiß doch, es wird mir eine Ehre sein!« lachte Budge. »Komm nur herein. Schau dir mein kleines Gewese an!«
Corrie May kraxelte vom Wagen herunter. »Du mußt zum Abendbrot dableiben!« sagte Ethel. »Ich habe gerade frische Maiskuchen in den Herd geschoben. Und wir haben noch Fleisch übrig vom letzten Schweineschlachten.«
»Ich zeig' dir inzwischen alles!« verkündete Budge.
Budge strahlte vor Vergnügen. Wahrscheinlich, mutmaßte Corrie May im stillen, weil er mir seine Farm zeigen kann und wie er darauf geschuftet hat – und ich muß hinterherlaufen und mir alles anhören. Er durfte wirklich stolz sein, das mußte sie bald zugeben. Seine Baumwolle gedieh prächtig und sein Gemüse nicht minder; Hühner gackerten; in einem niedrigen Verschlag grunzte eine Sau; um sie herum flitzte und quiekte ein Dutzend Ferkel. Im kommenden Herbst, wenn die Baumwolle geerntet war, wollte er sich
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