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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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sie, wovon sie erweckt worden war: irgendwer fühlte ihren Körper ab und wendete sie hin und her. Mit unbeschreiblicher Anstrengung versuchte Corrie May, die Augen zu öffnen; es gelang! Sie sah eine Laterne neben sich auf dem Boden stehen; im fahlen Umkreis ihres Lichts machte sich ein Mann in Polizeiuniform zu schaffen. Hoch über ihr lehnten in schiefen Winkeln die Dächer der ›Häuser‹, in denen sie selbst und ihre Nachbarn, die Rattletrap-Leute, wohnten; die krummen Wände schwiegen finster.
    Der Polizeibeamte fragte: »Können Sie aufstehen?«
    Sie antwortete: »Ich weiß nicht.« Die Worte klangen fremd, und es schmerzte, sie auszusprechen; ihr Mund war so verschwollen und voll Blut, daß sie die Laute kaum wie sonst zu formen vermochte.
    »Ich will Ihnen helfen«, sagte er.
    Der Schall der freundlichen Stimme drang tröstlich an ihre Ohren; hinter ihren wunden Augenlidern wallten Tränen auf. Sie brachte es fertig, zu flüstern: »Vielen Dank, Herr Wachtmeister!«
    Er schob seine Hände unter ihre Schultern: »Nur langsam, langsam! Sie sind wohl hier in die Schlägerei geraten?«
    »Ja!« sagte sie und biß sich auf die Lippen, um nicht laut aufzuschreien, denn als sie sich bewegen wollte, fiel sie der Schmerz erbitterter noch an.
    »Schlimm, schlimm!« sagte er. »Wie konnten sie sich an einem Mädchen vergreifen!«
    Corrie May stieß einen Schrei aus, als der Mann sie allmählich auf die Füße zu stellen suchte.
    »Nur ruhig!« sagte er. »Sie werden nicht gehen können. Gebrochen haben Sie sich nichts, glaube ich. Aber Sie sind ganz und gar zerschunden. Wo wohnen Sie? Ich kann Sie tragen. Sie sind nicht sehr schwer!«
    Sie kaute mühselig ein paar Worte hervor, die ihm die Richtung bezeichneten. Er machte sich auf den Weg. Die Straßen lagen verlassen. Die Leute vom Rattletrap Square fürchteten den Anblick der Polizei; sie waren gewohnt, die Türen vor ihr zu verrammeln. Corrie May spürte jeden Schritt des Mannes, der sie trug; doch spürte sie auch eine seltsame Genugtuung, noch am Leben zu sein; außerdem wurde sie jetzt nach Hause gebracht – das war so gut! Vor der Tür des Upjohnschen Hauses stieß er mit seinem Fuß an die Bretter; die Tür öffnete sich vorsichtig einen Spalt breit.
    »Wer ist denn da?« fragte Mrs. Upjohn mit furchtsamer Stimme.
    »Dies Mädchen hier ist bei der Schlägerei verletzt worden«, erklärte der Polizist. »Sie sagt, sie wohne hier!«
    Mrs. Upjohn schrie leise auf: »Herr im Himmel, Corrie May! Bringen Sie sie herein, Herr Wachtmeister! Hier können Sie sie hinlegen! Corrie May, Kindchen, bist du schwer verletzt?«
    »Wird alles nicht so schlimm sein«, murmelte sie mühsam, als sie auf dem Bette ausgestreckt lag.
    Mrs. Upjohn rannte aufgeregt hin und her. »Wie, um alles in der Welt, ist denn das gekommen? Ich habe den Krach aus der Ferne gehört, bin aber vor lauter Angst nicht auf die Straße gegangen.«
    »Wie die ganze Geschichte angefangen hat, Madame, das weiß ich auch nicht. Irgendwer hat die Leute aufgehetzt, und dann sind sie sich in die Haare geraten. Ein paar von uns wurden herkommandiert, um aufzuräumen. Aber als wir ankamen, herrschte ein solch wüstes Durcheinander, daß uns nichts weiter mehr zu tun übrigblieb, als die übelsten Schläger aufzuladen und in Gewahrsam zu bringen, damit sie wieder zur Vernunft gelangten.«
    Der Polizist stand gemächlich in der Stube herum, während Mrs. Upjohn damit begann, Corrie Mays Wunden und Quetschungen vorsichtig zu waschen. »Schrecklich, schrecklich«, knurrte sie, »mein Mädchen so zuzurichten!«
    »Ja, Madame, das stimmt wirklich. Ich fand sie ein Stück weiter unten auf der Straße. Sie wird wohl ohnmächtig geworden sein und ist gestürzt; das Volk hat dann auf ihr herumgetrampelt. In diesem Stadtteil ist alle naselang etwas gefällig.«
    Wenn auch Corrie May ihre Mutter und ihren Retter miteinander sprechen hörte, so begriff sie doch kaum den Inhalt der Sätze. Die Mutter verband ihr die Wunden und reichte ihr eine Tasse Kaffee zur Stärkung. Als Corrie May sich aufrichtete, um besser trinken zu können, nahm sie wahr, daß auch der Polizist sich an einer Tasse Kaffee erwärmte. Er hatte sich beim Herd auf einem Stuhle niedergelassen.
    »Ich dank' Ihnen auch schön, daß Sie mich nach Hause getragen haben!« sagte Corrie May leise.
    »Nicht der Rede wert! Einer Dame hilft man immer gern, wenn sie in Not ist.« Er schlürfte dankbar seinen Kaffee. »Wie fing denn der Aufruhr an, Fräulein? Waren

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