Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Sie von Anfang an dabei?«
Corrie May zögerte und verschluckte sich an dem Löffel Suppe, den die Mutter ihr jetzt anbot. Die Frage erschreckte sie; der Kaffee hatte ihre Lebensgeister wieder einigermaßen belebt; wenn sie diesem freundlichen Wachtmeister gestand, daß sie es gewesen war, die den Aufstand entfacht hatte, so mußte er sich in einen grausamen Rächer verwandeln und sie wegen Hochverrats verhaften.
»Corrie May«, mahnte die Mutter vorwurfsvoll, »antworte doch! Weißt du gar nicht, wie du dich zu benehmen hast!«
Corrie May fuhr sich mit der Zunge über die geschwollenen Lippen. »Ich glaube, irgendwer hat dagegen gesprochen, daß die Männer jetzt eingezogen werden.«
»So –?« Der Polizist blies über seinen Kaffee hin, um ihn abzukühlen. »Wird irgendeiner gewesen sein, der Angst vor der Front hat. Solche Leute gehören ins Gefängnis!«
Corrie May verschluckte sich abermals. »Soll denn jetzt der letzte Mann eingezogen werden? Jeder einzige?«
»Ja, Madame, so ist es wohl. Bloß die Alten werden noch zurückgestellt und die Kranken natürlich und auch die Besitzer von großen Plantagen und vielen Sklaven.«
Corrie May drängte den nächsten Suppenlöffel beiseite. Die Bewegung schnellte einen stechenden Schmerz durch ihre Schulter. »Wart einen Augenblick, Mama!« Sie wandte ihren Kopf zur Seite und blickte dem Polizisten gerade in die Augen. »Wie ist das mit den großen Sklavenhaltern –?«
»Kann ich mir wohl noch eine Tasse von diesem guten Kaffee einschenken, Madame?« fragte der Mann.
»Nur tüchtig zu!« erwiderte Mrs. Upjohn gastfrei und voller Dankbarkeit. »Da steht die Kanne! Willst du keine Suppe mehr essen, Corrie May?«
»Nein, Mama! Ich möchte bloß wissen, ob das stimmt mit den großen Sklavenhaltern?«
»Ja, sicher, das stimmt. Das neue Gesetz besagt, daß jeder Mann, der zwanzig Sklaven oder darüber besitzt, nicht eingezogen werden kann. Es müssen ja ein paar Leute zu Hause bleiben, die die Plantagen versehen und die Nigger bewachen.«
»Ach so!«
Der leichte Anflug von Kraft, den Corrie May gespürt hatte, glitt wieder davon. Sie sank auf ihr Bett zurück. Das trüb erhellte Zimmer verschwamm ihr von neuem. Wie in einem wirren Traum sah sie vor den häßlichen Wänden ihrer ärmlichen Behausung die silbernen Türklinken und Fenstergriffe von Ardeith vorübertanzen, die schimmernden Kerzenhalter, die marmornen Kamine, die unterwürfigen Sklaven, die Säulenreihen hinter den moosbehangenen Eichen und schließlich gleich einer Reihe von Gespenstermasken die triumphierenden Gesichter jener Patrizier, die diesen Krieg, der ihre Reichtümer bedrohte, von anderen auskämpfen ließen; sie selbst aber entbanden sich von der Front.
Mrs. Upjohn sprang auf: »Gnade mir Gott, Herr Wachtmeister! Ich glaube, das arme Kind ist schon wieder ohnmächtig geworden! Helfen Sie mir ein bißchen!«
»Gewiß, gewiß! Ich habe sicher zuviel geredet! Es ist eine wahre Schande, wie sie dem Mädel mitgespielt haben.«
Corrie May fing bald darauf an zu phantasieren. Was sie redete, das beachtete ihre Mutter nicht; sie hatte gar keine Zeit dazu. Der Polizist mußte sich wieder auf seine Runde begeben. Mrs. Upjohn weckte eine Nachbarin und bat sie um Hilfe. Die ganze Nacht über wurde Corrie May vom Fieber hin und her geworfen; sie versuchte verzweifelt, sich Gehör zu verschaffen. Ab und zu beugte die besorgte Mutter sich über ihr Bett in der Hoffnung, daß die Tochter endlich wieder zu sich käme. Aber Corrie May hörte nicht auf, mit den Fäusten schwächlich um sich zu schlagen und Schimpfworte vor sich hin zu murmeln. Die Mutter nahm sie ihr nicht übel; ihr Mädchen war ja ganz von Sinnen. Aber warum Corrie May gerade die Larnes so wild verfluchte, das begriff sie nicht, jene reichen, freundlichen Leute, die ihr Arbeit und Brot gewährt hatten, nachdem die Brüder vom Fieber dahingerafft waren.
III
E rst zwei Wochen später ließ Budge sich wieder sehen, um sich nach Corrie Mays Ergehen zu erkundigen. Corrie May hatte sich inzwischen so weit erholt, daß sie am Fenster sitzen und auf die Straße hinausblicken konnte. Noch vor dem Eintritt ins Haus erklärte Budge der Mutter seines Mädchens, daß er alles versucht habe, schon früher zu erscheinen, daß er aber das Lager nicht eher hätte verlassen dürfen.
»Sie schickten uns noch in der gleichen Nacht ins Lager zurück – ehe ich noch Gelegenheit fand, mich nach ihr zu erkundigen«, sagte er. »Und dann bekamen wir jeden
Weitere Kostenlose Bücher