Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
murmelte mit einer Stimme, in der eine kaum begreifliche Ehrfurcht mitzuschwingen schien: »Ann, du bist so sauber!« Niemals erwähnte er auch nur mit einem Worte, was er erlebt und gesehen – und wie sehr es ihn mitgenommen hatte.
Nun wohl denn, sie wollte ihm keine Fragen stellen noch verraten, daß auch sie das Grauen längst gelernt hatte. Sie vertraute ihm nicht einmal die geringeren Schwierigkeiten an, mit denen sie auch hinter den schützenden Mauern von Ardeith zu kämpfen hatte – daß ein Stück Seife nicht unter einem Dollar und eine Zahnbürste nicht unter zwei zu kaufen waren; wie man von Geschäft zu Geschäft zu laufen hatte, um auch nur die simpelsten Notwendigkeiten zu befriedigen; wie man ewig die Hoffnung nährte, daß wieder einmal ein Schiff die Blockade durchbräche. Nadeln und Knöpfe zum Beispiel gab es überhaupt nicht mehr; wenn sie verlorengingen, so waren sie nicht mehr zu ersetzen.
Im Grunde fühlte Ann sich bitter betrogen. Sie hatte so viel von ihm erwartet. Nun durfte sie ihn nicht darum bitten – und sie dachte auch nicht daran, das Schweigen zu brechen. Es gab nicht viel, womit sie ihm den Krieg erträglicher machen konnte; die Illusion von Schönheit und unbeschwerter Anmut wollte sie ihm gern erhalten, wenn er danach hungerte. Und als letztes Zeichen dafür, daß sie seinen Wunsch achtete, veranstaltete sie einen Abschiedsball.
Sie fragte nicht danach, wieviel Geld es kostete; sie kaufte Weizenmehl, Kaffee, Vanille, Ingwer und Schokolade, lauter seltene Kostbarkeiten, für die sie ganze Bündel von Scheinen ›konföderierten‹ Geldes, gelber, abgenutzter Papierfetzen, hingeben mußte. Sie schmeichelte den Kaufleuten, sie kniete ihnen auf der Seele, ja, sie machte ihnen sogar schöne Augen, all die sagenhaften Herrlichkeiten hervorzulocken, die eigentlich nur noch an die Hospitäler abgegeben werden durften. Wenn Denis auch nur geahnt hätte, mit welchen Mitteln sie die Dinge herbeischaffte, die er selbstverständlich genoß – er wäre wohl und mit Recht entsetzt gewesen; aber er ahnte nichts. Er konnte oder wollte sich keine Vorstellung davon machen, wie es daheim hinter den Kulissen wirklich aussah. Er durfte nie erfahren, daß der Lagervorsteher sich von einem seiner Fässer voll Weizenmehl erst getrennt hatte, als Ann ihm das Diamantenarmband auf den Ladentisch legte, das Denis ihr nach ihrem ersten Zank reuevoll zum Geschenk gemacht hatte. Schon all die Vorbereitungen erschienen ihr wie ein Fest; sie scherzte dabei und lachte, und er lachte mit. Und immer wieder flüsterte er ihr zu, wie schön sie wäre, wie zierlich und klug sie zu plaudern verstände und daß er sie anbete. Er erhob Einspruch dagegen, daß die Vorbereitungen zu der großen Gesellschaft sie so völlig in Anspruch nahmen; sie sollte die Einzelheiten doch Bertha und Napoleon überlassen. Unmöglich, antwortete Ann. Das Abschiedsfest sollte etwas ganz Besonderes werden; außerdem sei sie daran gewöhnt, dem Haushalt vorzustehen, seit Mrs. Maitland sie im Stich gelassen. Dann war sie wieder auf und davon und abermals auf der Jagd nach den kostbaren Delikatessen, die Denis in dem Glauben bestärken sollten, seine Ann wüßte nichts vom Kriege.
Ein einziges Mal nur versagte ihr entschlossenes Puppenspiel der Freude. Das geschah, als die alte Mrs. Larne sich nicht mehr enthalten konnte, ihr Mißfallen über die wilde Verschwendungssucht der Schwiegertochter laut werden zu lassen. Ann erwiderte mit eisigem Lächeln: »Hast du schon das witzige, neue Gleichnis gehört? So geizig wie jemand, der mit gelbem Gelde knausert –!« und wandte sich ab. Gelb waren die Geldscheine der Südstaaten –. Denis natürlich war außer Hörweite, als dieses Scharmützel stattfand. Dabei hatte Ann der alten Mrs. Larne nicht einmal verraten, daß sie nicht nur ihr Armband geopfert, um den Lagerhalter zu bestechen, sondern daß sie auch noch eine goldene Uhr, einige Ringe und Busennadeln versetzt hatte, dazu nur zu ihrem halben Wert – denn ihr Geld war längst knapp geworden.
Bertha schneiderte ihr ein neues Kleid aus meergrünem Samt, den ein Blockadebrecher nach Dalroy durchgeschmuggelt hatte; der Stoff kostete vierzig Dollar die Elle. Von ihrem Hochzeitskleid ließ Ann die kostbaren Spitzen abtrennen, um das Mieder des neuen Kleides damit zu garnieren.
Doch Denis durfte nichts von alledem erfahren; sie bekannte ihm nicht, daß die Spitze an ihrem neuen Ballkleid schon einmal benutzt war. Er hatte sie an ihrem
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