Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
sprechen, aber sie wußte kaum, was sie sprach, die Worte wurden nicht mehr von einem zentralen Willen gelenkt; alles, was sich in ihr angehäuft hatte an Schmerz, Qual und Bitterkeit, brach jetzt heraus und fiel über Kester und Isabel her. Alles, was sie sagte, kreiste um die Enttäuschung, daß Kester sein Wort nicht gehalten habe, aber alle die anderen Bitterkeiten und Enttäuschungen schwangen darin mit.
Kester war verwirrt und halb betäubt. Aus all ihrem Geschimpf hörte er nur heraus, daß sie ihm Dinge vorwarf, die er nicht begangen hatte und auch nicht zu begehen beabsichtigte. Einige Male versuchte er, sie zum Schweigen zu bringen, aber er hätte geradesogut den Versuch unternehmen können, das hereinströmende Wasser bei einem Deichbruch mit der Hand aufhalten zu wollen. Zuletzt rief er mit erhobener Stimme:
»Wirst du, in Gottes Namen, jetzt endlich aufhören?«
»Warum sollte ich? Wirst du zukünftig diese Frau in Ruhe lassen?«
»Warum sollte ich?« nahm er ihre Redewendung auf, »für das Glück, dich ansehen zu dürfen, so, wie du jetzt aussiehst?«
»Oh! Sie ist wohl reizend, wie?«
»Du siehst jedenfalls aus wie eine Hexe, und du schreist auch wie eine Hexe!«
»Ich kann nicht vierzehn Stunden am Tage arbeiten und dann wie eine Sirene aussehen. Wenn du eine Frau haben wolltest, die zart und süß und anbetungswürdig aussieht, warum hast du nicht eine solche geheiratet?«
»Ich wollte, ich hätte es«, sagte Kester. Er sprach langsam und abgehackt, immer noch mit diesem schneidenden Ton in der Stimme; seine Hand hielt hinter seinem Rücken den Türknopf umklammert.
»Eine, die dir jeden Tag von neuem erzählt, was du für ein wundervoller Mann seiest, gleichgültig, was du tust oder wie du dich benimmst?«
»Ja«, antwortete Kester und öffnete die Tür.
Eleanor lachte böse. »Es ist schrecklich, daß meine Manieren nicht durch eine jahrhundertealte Tradition geläutert und verfeinert wurden«, höhnte sie.
»Du hast nur zu recht«, versetzte Kester, »sie lassen leider viel zu wünschen übrig.« Die Wohnzimmertür dröhnte, gleich darauf dröhnte die Haustür, und einen Augenblick später hörte sie das Auto die Parkallee hinunterrattern.
Eleanor fiel in einen Sessel; sie legte die Hände an ihre pochenden Schläfen. Einen Augenblick verwirrten sich ihre Gedanken; die zitternde Wut hatte all ihre Kräfte erschöpft; sie saß mit leerem Kopf im Sessel und starrte vor sich hin.
Sie wußte nicht, wie lange sie so gesessen hatte, leeren Blicks auf die wachsenden Schatten starrend; ganz allmählich erst begann ihr Bewußtsein wieder zu erwachen. Sie spürte, daß sie zitterte, nicht vor Kälte, denn obgleich das Feuer im Kamin heruntergebrannt war, war die Wärme doch noch im Raum, sondern vor innerer Erregung. Als sie ihre Hände von den Schläfen nahm und sich gerade aufrichtete, wußte sie, woher die Lähmung kam, von der sie sich befallen sah. Sie hatte Angst vor einer Situation, der sie bisher in ihrer Ehe noch nicht gegenübergestanden hatte, und sie war bange, weniger, weil diese Situation nun bestand, als weil sie sie selber herbeigeführt hatte. Sie wußte nicht mehr, was alles sie Kester in diesen schrecklichen Minuten an den Kopf geworfen hatte, aber was immer sie auch gesagt haben mochte, sie hatte niemals wirklich geglaubt, daß er ihr untreu gewesen sei. Sie hatte immer nur gefürchtet, daß Isabel die alte Macht, die sie schon einmal über ihn gehabt hatte, wieder beleben und ihn zur Untreue verführen könnte.
Eleanor stand auf. Sie ging zum Kamin hinüber, in dem die Aschehäufchen noch glühten; das Zimmer war inzwischen völlig dunkel. Mechanisch ergriff sie ein Stück Holz und ließ es auf die Glut fallen. Dann setzte sie sich auf den Teppich und beobachtete, wie das Holz allmählich Feuer fing. Schaudernd wurde ihr klar, daß sie Kester durch ihr heutiges Verhalten geradezu auf Isabel gestoßen habe; stärker als irgend etwas anderes ihn je hätte stoßen können. Wahrhaftig, die sinnlose Wut hatte ihr den Verstand getrübt, sonst hätte das nicht geschehen können.
Schließlich erhob sie sich und ging nach oben. Kesters Rückkehr erwartend, stand sie am Fenster und sah hinaus in die Dunkelheit. Über den Bäumen stand der Mond und sah aus wie eine vertrocknete Zwiebel. Die Stunden liefen dahin; sie beobachtete, wie der Morgen heraufkam. Als es zwischen den Eichen heller und heller wurde, fühlte sie sich völlig verbraucht. Aber sie hatte gelernt, daß nichts,
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