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Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Titel: Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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doch unmöglich mit der Plantage und einem neugeborenen Kind allein lassen, hatte er den Gedanken fallenlassen, aber sie hatte wohl die interessierten und sehnsüchtigen Blicke gesehen, mit denen er Abbildungen von solchen Lagern in den Zeitungen verfolgte. Es waren die Blicke eines kleinen Jungen, dem man den Aufenthalt in einem Ferienlager abgeschlagen hat.
    Eleanor seufzte, als sie sich das in die Erinnerung zurückrief. Sie hatte Kesters innerste Natur kennengelernt und wußte, daß man ihn nicht zu ändern vermochte. Er war gewandt und liebenswürdig, bezaubernd und großmütig, aber er erinnerte sie immer an den reichen jungen Herrscher, von dem der Herr gesagt hatte: »Ein Ding wird dir mangeln!« Er hatte kein Talent, sich zu placken.
    Aber sie hatte dieses Talent, und da Kester so war, wie er war, mußte sie eben für beide arbeiten. Wenn sie die Männer anderer Frauen mit Kester verglich, fühlte sie sich trotzdem gesegnet. Was für Fehler Kester auch immer haben mochte, er hatte zwei Tugenden, die sie höher als alles andere stellte: Er war niemals mißmutig, und er hatte ihr niemals Gelegenheit gegeben, daran zu zweifeln, daß er sie liebte. Er sagte es ihr oft, und er hatte es ihr selten so innig gesagt wie an jenem Tage, da sie Isabel Valcour nach ihrer Rückkehr aus Washington zufällig begegneten. Sie waren in Kesters neuem Auto ausgefahren und sahen Isabel mit Violet Purcell im Schatten einer mit Plakaten beklebten Bretterwand auf der Straße stehen. Eines der Plakate zeigte ein überlebensgroßes Bild des Präsidenten Wilson mit der Unterschrift: ›Er hielt uns aus dem Kriege heraus‹.
    »Ich wußte nicht, daß sie wieder da ist«, sagte Eleanor.
    »Sie ist schon ein paar Wochen hier«, antwortete Kester, »aber ich sehe sie auch zum ersten Male.«
    Violet winkte, als sie vorüberfuhren, aber Isabel nahm keine Notiz von ihnen. Eleanor sah nicht hoch. »Kester –?«
    »Ja, Liebling?«
    »Hast du sie seit – damals gar nicht mehr gesprochen?«
    »Doch. Einmal.«
    »Wann?«
    »Nicht lange danach. Ich sagte ihr, daß ich mich schämte und daß sich dergleichen nicht wiederholen dürfe. Das ist alles. Es war eine ganz kurze Unterredung. Du warst doch ihretwegen nicht etwa beunruhigt?«
    Sie schüttelte den Kopf: »Nein. Natürlich nicht.«
    »Du darfst das auch nicht sein. Denn sieh, Eleanor, ich liebe dich mehr, als ich jemals ausdrücken kann. Du kannst mich nicht loswerden, es sei denn, du würfest mich hinaus und verschlössest mir die Tür.«
    Sie legte ihre Hand auf die seine, die auf dem Steuerrad lag, und drückte sie leicht.
    »Du darfst keine gestopften Handschuhe mehr tragen«, sagte Kester.
    Die Börse zögerte, bis Präsident Wilson wiedergewählt war; dann sprangen die Baumwollnotierungen auf achtzehn Cents pro Pfund. Das war ein außerordentlicher Preis. Und obgleich Ardeith auch die Arbeiterlöhne erhöht hatte, war der Gewinn höher, als Eleanor je zu hoffen gewagt hätte. Kester schlug vor, ein großes Essen zu geben, und Eleanor stimmte zu. Sie kaufte sich das schönste Samtkleid, das sie jemals besessen hatte. Sie schmückten zu Weihnachten einen prächtigen Christbaum für die Kinder. Goldhaarige Puppen mit richtigen Augenwimpern kamen nicht mehr aus Deutschland herein, aber Cornelia vermißte sie nicht, und der kleine Philip zeigte sich so entzückt von dem strahlenden Baum, daß er vor Vergnügen krähte und strampelte und seinen Spielsachen keinerlei Aufmerksamkeit schenkte.
    Nach Weihnachten begann sich das Leben auf sonderbare Weise ohne sichtbaren Anlaß zu wandeln. Irgend etwas, ein Gefühl der Erwartung, lag in der Luft. Es kam nicht plötzlich; es war nach und nach gewachsen; wie man mit einem Male auf einen schon lange rieselnden Regen aufmerksam wird, dessen Geräusch man gehört hatte, ohne es bisher richtig zu deuten und einzuordnen. Die Vereinigten Staaten von Amerika traten in den europäischen Krieg ein. Niemand wußte genau zu sagen, wann diese Entwicklung begonnen hatte; Kriegswille und Kriegsbereitschaft waren auf einmal da. Die Entstehung der Kriegspsychose war schwer zu analysieren: Sie war nicht dadurch verursacht, daß die ›LUSITANIA‹ versenkt worden war; mit Vorfällen dieser Art hatte man gerechnet; man pflegte achselzuckend zu sagen, daß Amerikaner, die nicht bombardiert werden wollten, zu Hause bleiben sollten; es waren auch nicht die Greuelgeschichten; auch an die hatte man sich längst gewöhnt, so sehr, daß der Durchschnittsleser Berichte

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