Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
mehr bekamst?«
»Erinnerst du dich nicht? Das schwarze mit dem geschlitzten Rock. Das war damals, als der Erzherzog getötet worden war.«
Kester zog sie in impulsiver Bewegung an sich und küßte sie.
Der Sohn wurde im Januar geboren. Kester bestand in einem Anflug romantischer Stimmung darauf, ihn Philip Larne zu nennen, zur Erinnerung an den Begründer von Ardeith, dessen Porträt mit der Perücke in der Halle hing. Er holte Cornelia herein, damit sie sich den kleinen Bruder besehe, und Cornelia betrachtete das Baby mit ernsthaftem Interesse. »Eine lichtige Puppe!« sagte sie, da sie noch Schwierigkeiten hatte, das R auszusprechen.
Kester lächelte und wickelte eins ihrer Löckchen um seinen Finger. Eleanor beobachtete ihn vom Bett aus und sagte lächelnd: »Ich stelle fest, daß Philip keine verbogene Nase hat.«
Er lachte und sagte, das wolle er hoffen. Als er gegangen war, von der hinterhertrippelnden Cornelia gefolgt, drehte Eleanor den Kopf auf dem Kissen und sah nach der Wiege, wo sie gerade ein kleines Händchen des Babys auf der Bettdecke erblicken konnte. Es war ein winziges rosiges Händchen; der Anblick bereitete ihr ein Gefühl tief innerer Freude.
Sie schlief bald darauf ein und erwachte später dadurch, daß Kester den Kopf zur Tür hereinsteckte, um ihr zu erzählen, daß der Preis für Baumwolle auf zwölfeinhalb Cents gestiegen sei, und dies, obgleich die ständigen Angriffe von Unterseebooten auf Handelsschiffe den Markt unsicher machten.
Eleanor öffnete die Augen. »Sind die Alliierten durch die Dardanellen gekommen?« fragte sie.
»Nein.«
»Baumwolle wird im Herbst fünfzehn Cents kosten«, sagte Eleanor.
IV
Z ur Zeit, da die Ernte des Jahres 1916 in der Blüte stand, wurde Baumwolle mit vierzehn Cents pro Pfund notiert. Ardeith würde in diesem Jahr eintausendzweiunddreißig Ballen erzeugen. Im Oktober, zur Zeit, da Ardeith seine Baumwolle in der Regel zu verkaufen pflegte, betrug der Preis sechzehn Cents.
Sie verkauften, was notwendig war, um die Bank zu bezahlen. Wegen des Restes zögerte Eleanor mit dem Gefühl, den Atem anhalten zu müssen. »Laß uns den Rest bis nach der Präsidentschaftswahl zurückhalten«, sagte sie.
Die Wahrheit war: Eleanor brauchte einen Aufschub. Kester arbeitete nicht mit der verbissenen Beständigkeit, die notwendig war, um das Äußerste aus der Plantage herauszuholen. Sie kannte ihn und seine Schwächen so gut, daß sie früher an die Arbeit zurückgekehrt war, als es eigentlich nach der Geburt zu verantworten war. Sie hatte den kleinen Philip sechs Monate lang gestillt, getrieben von dem gleichen Pflichtgefühl, das ihr nie erlaubt haben würde, in ihren Anstrengungen zu erlahmen, den Ertrag der Plantage nach ihren Kräften zu steigern. Ihre Erfahrung in Krankheiten war nicht groß; sie hatte mit dreizehn Jahren die Masern gehabt; davon abgesehen war sie nie länger als zwei Tage krank gewesen, und so hatte sie nie sonderlich auf ihren Körper geachtet und seine Leistungsfähigkeit als unbegrenzt angesehen. Sie hätte sich geradezu geschämt, einzugestehen, daß sie sich nicht wohl fühle.
Kester war anders veranlagt. Wenn er sich müde fühlte, ging er schlafen. Wurde ihm die Arbeit zuviel, rief er ein paar Leute an und veranstaltete eine kleine Party, um sich zu entspannen. Die harte Tatsache, daß Ardeith nach wie vor unter seiner Schuldenlast stöhnte und daß der Kriegswahnsinn in Europa eine vorübergehende Hochkonjunktur geschaffen hatte, die ausgenutzt werden mußte, focht ihn nicht weiter an. Er erfreute sich seines gegenwärtigen Wohlergehens, kaufte ein neues Auto und ergänzte seine Alkoholvorräte und ließ, wie gewöhnlich, die Zukunft für sich selber sorgen. Nach den Anstrengungen bei der Baumwollernte wurde Eleanor in den kargen Mußestunden immer klarer, was sie sich während des Sommers nicht hatte zugeben wollen: daß Kesters innere Ruhelosigkeit ständig zunahm. Kein Zweifel, er war es leid, das harte, arbeitsreiche Leben eines Pflanzers zu führen. Er wollte, daß irgend etwas Neues das Einerlei seines Tagesablaufs unterbräche. Schon während der Sommermonate, da sie tagein, tagaus vom dämmernden Morgen bis zum Einbruch der Dunkelheit auf den Feldern waren, hatte er dann und wann von der Möglichkeit gesprochen, in eines der Vorbereitungslager zu gehen, die überall eingerichtet worden waren, um Soldaten und Offiziere für den Fall einer etwaigen Mobilisation auszubilden. Als sie erschrocken einwandte, er könne sie
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