Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
sich, wobei ihre gestärkten Röcke ein heftiges Geraschel veranstalteten.
»Einen Augenblick, bitte«, sagte Eleanor. »Ich würde Sie bitten, das Messer, wenn irgend möglich, meinem Mann nicht zu zeigen. Sehen Sie – es ist sein Messer, sein Name ist darin eingraviert; zu allem, was er jetzt schon zu tragen hat, würde er sich nun noch Vorwürfe machen, das Messer liegengelassen zu haben.«
Miß Crouzet lächelte leicht und sah nach der Tür, durch welche Kester hinausgegangen war, um Eiswasser zu holen. »Selbstverständlich, Mrs. Larne«, sagte sie, »ich werde es nicht verraten.« Sie wartete noch, bis Kester mit dem Eiswasser zurückkam, aber auf all seine dringlichen Fragen nach Cornelias Befinden konnte sie nur die Achseln zucken: »Ich kann noch nichts sagen. Sie werden es erfahren, sobald wir etwas Bestimmtes wissen.«
Sie ging hinaus, und Eleanor trank von dem Wasser. Kester stand am Fenster und sah auf die Straße hinab. Nach einigen Minuten drehte er sich um und kam quer durch das Zimmer auf Eleanor zu.
»Hast du mir gar nichts zu sagen?« stieß er heraus. »Weißt du nicht, daß ich sie genauso liebe wie du?«
»Doch«, sagte Eleanor leise, »das weiß ich. Vergib mir.«
Sie zitterte leicht, während sie sprach, und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Kester legte seine Arme um ihre Schultern und zog sie an sich heran, damit sie sich gegen ihn lehnen könne. Eleanor fühlte sich wie entspannt. Sie mußte daran denken, welche Freude sie aneinander gehabt hatten und wie unachtsam sie damit umgegangen waren. Sie fragte sich, ob es wohl noch irgendwo den Zipfel einer Möglichkeit gäbe, das Verlorene zurückzugewinnen. Ach, da wäre so viel gewesen, was sie Kester hätte sagen mögen, aber jetzt hatte sie keine Kraft, um damit zu beginnen. Der Boden, auf dem sie sich gegenwärtig begegneten, war fest, aber begrenzt: es war das Wissen, daß das Leiden ihres Kindes sie miteinander verband. Im Augenblick konnte keiner von ihnen über diesen Boden hinausgehen. Sie mußten warten, und sie warteten zusammen, aber außer gelegentlichen Ausrufen, mit denen sie ihrer Unsicherheit und ihrer Besorgnis Luft machten, sprachen sie kaum miteinander, bis Miß Crouzet wieder erschien, um ihnen zu sagen, daß Dr. Renshaw sie jetzt empfangen wolle.
IV
A ber auch das Gespräch mit dem Spezialisten verschaffte ihnen keine Erleichterung, denn alles, was sie erfuhren, war, daß auch der bedeutendste Facharzt nicht mit Sicherheit sagen konnte, wie sich ein Messerschnitt in einem Kinderauge in der Zukunft auswirken werde. Während des Nachmittages saßen sie abwechselnd bei Cornelia und kehrten dann wieder in ihr Zimmer zurück, um dort in Qualen der Ungewißheit ruhelos den Raum zu durchschreiten.
Eleanor war so entmutigt, daß sie fast so hilflos wie Cornelia erschien. Die seelische Not und Unruhe, die sie seit jenem entscheidenden Streitgespräch mit Kester nicht mehr losgelassen hatte, war nicht spurlos an ihr vorübergegangen, sie hatte ihr nur wenig Kraft gelassen, um mit einer neuen Krise dieser Art fertig zu werden. Abgesehen von den wenigen Stunden, die sie bei Cornelia bleiben durfte, wußte sie ihrer Unruhe und ihrer inneren Verzweiflung keinen anderen Ausdruck als das sinnlose Hinundherschreiten im Zimmer.
Kester schien von ihrem Zustand wenig zu bemerken. Er ging jetzt daran, die unvermeidlichen Begleiterscheinungen des Unfalls ins Auge zu fassen und sich mit all den kleinen dadurch hervorgerufenen Notwendigkeiten zu befassen. Er gab Eleanors und seinen Eltern Kenntnis von dem Geschehen, empfing sie, als sie ins Krankenhaus kamen, und zog sich zurück, damit Eleanor eine ungestörte Stunde mit ihren Eltern verbringen konnte. Molly erbot sich, den kleinen Philip nach New Orleans zu holen, damit er, allein zu Hause, nicht nur den Dienstboten ausgeliefert wäre. Eleanor unterbreitete Kester den Vorschlag ihrer Mutter, und Kester telefonierte sogleich mit Dilcy und wies sie an, Philip und sich reisefertig zu machen. Er beantwortete Telefonanrufe und nahm Blumen und Bilderbücher in Empfang, die von wohlmeinenden Bekannten abgegeben wurden, die sich nicht die Mühe gegeben hatten, darüber nachzudenken, daß Cornelia ja zur Zeit gar nicht sehen konnte. Solange es ihm erlaubt wurde, blieb er neben Cornelia sitzen und erzählte ihr lustige Geschichten, die sie das Unleidliche ihres Zustandes vergessen ließen. Eleanor beobachtete ihn bei all diesem Tun mit dankbarer Bewunderung, war aber zu überreizt, um
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