Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Vorhänge, und auf dem Tisch grünte ein Farn in einem Blumentopf. Trotzdem strahlte der Raum die unpersönliche Kühle eines Wartezimmers aus, in dem ruhelose Angehörige sitzen oder umhergehen, um auf das Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung oder einer Operation zu warten. Eleanor sah sich mit scheuen Blicken um und fragte sich mit heimlichem Schauder, wieviel Seelenqual dieser Raum wohl schon erlebt haben mochte. Auf dem Sessel, der vor ihr stand, war der Lack der Armlehnen durch zahllose Hände, die ruhelos darüber hingeglitten sein mochten, matt und stumpf geworden. Sie wandte den Blick davon ab, setzte sich auf einen anderen Stuhl, zog die Handschuhe aus und fand zu ihrem Erstaunen kleine Blutstropfen auf ihrer Handfläche.
Kester stellte Eleanors Koffer, den er getragen hatte, in die Ecke und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Über dem Schreiten sagte er:
»Ich habe weder deine noch meine Familie unterrichtet. Ich hielt es für gut, damit noch etwas zu warten, Verwandte sind in solchen Fällen immer nur im Wege.«
»Das ist wahr, du hast recht getan«, stimmte Eleanor zu.
Kester tat wieder ein paar Schritte und blieb dann vor ihr stehen. »Nun sage mir wenigstens, was überhaupt geschehen ist, Eleanor«, sagte er.
»Ich weiß selbst nicht viel«, entgegnete sie. »Es war früh am Morgen, und ich schlief noch.« Sie hielt die Hände fest im Schoß verklammert. »Cornelia und Philip müssen sich um ein Messer gebalgt haben. Cornelia stolperte dabei und fiel in das Messer, das ihr ins Auge ging.«
»Was hat Bob gesagt?«
»Nichts. Ich meine, nichts Bestimmtes. Er könne vorerst noch nichts sagen, erklärte er.«
»Ihre Augen!« sagte Kester, »es ist entsetzlich! Gerade die Augen!«
»Es ist, Gott sei Dank, nur ein Auge«, flüsterte sie.
»Ich frage mich, ob der Schnitt wohl sichtbar sein wird«, sagte er. »Sie hat so wunderschöne Augen!« Er setzte sich in den Sessel, und ohne daß ihm das bewußt geworden wäre, krampften sich seine Hände um die abgenutzten Stellen der Lehnen. Es entstand eine Pause. Solange die Notwendigkeiten der Stunde sie in Anspruch genommen und in Atem gehalten hatten, war es gut gewesen; jetzt, da sie nichts tun konnten als zu warten, waren sie krank vor innerer Hilflosigkeit. Nach einer Weile sagte Kester: »Wie konnte es nur geschehen, daß so ein gefährliches Instrument an einer Stelle liegenblieb, wo die Kinder es finden konnten?«
»Ich habe es liegenlassen«, sagte Eleanor, »es war mein Fehler!«
»Du?«
Sie nickte: »Es war ein Messer, das ich in der letzten Nacht benutzte. Ich war müde und schläfrig und vergaß es. Es blieb auf dem Tisch im Wohnzimmer liegen.«
Kester atmete einmal schwer. Als wäre er froh, etwas zu haben, woran er seinen Schmerz erleichtern könne, rief er aus: »Das war aber furchtbar leichtsinnig von dir!«
»Ja«, sagte Eleanor, »das war es.«
Die Tür öffnete sich, und eine junge Frau kam herein. Sie hatte ein französisch geschnittenes Gesicht, schlichtes schwarzes Haar und lange, schmale Hände, die einen Notizblock hielten. »Mrs. Larne?« fragte sie kurz.
»Ja.«
»Ich bin Amélie Crouzet, Dr. Renshaws Assistentin. Möchten Sie mir bitte sagen, wie sich der Unfall ereignete?«
»Wie geht es ihr?« rief Kester dazwischen.
»Dr. Renshaw ist bei ihr, Mr. Larne. Sie hat keine Schmerzen, wenn Sie das meinen. Sie waren sicher nicht zu Hause, als es passierte?«
»Nein«, sagte Kester, »ich war nicht zu Hause.«
Er stellte einen Stuhl für Miß Crouzet zurecht. Die setzte sich und wandte sich, den Notizblock auf den Knien, wieder an Eleanor. Eleanor erzählte ihr, was sie wußte. Nachdem Miß Crouzet ein paar Minuten lang Notizen gemacht hatte, nahm sie einen in Mull gewickelten Gegenstand aus der Tasche ihres weißen Kittels. »Ist das – –«, begann sie.
Eleanor unterbrach sie und wandte sich an Kester. »Würdest du mir bitte ein Glas Eiswasser besorgen?« sagte sie. »Mir ist entsetzlich heiß.«
»Ja, gewiß«, sagte Kester. Er ging hinaus, und Eleanor wandte sich wieder der Assistentin zu.
»Ist dies das Messer, mit dem das Unglück passierte?« fragte Miß Crouzet. »Dr. Purcell sagte, einer der Diener habe es ihm gegeben.« Sie öffnete das Gazepaket und wickelte Kesters Messer heraus.
»Ja«, sagte Eleanor, »das ist es.«
»Die Klinge war anscheinend sauber«, bemerkte Miß Crouzet.
»Ich nehme es an. Natürlich war sie nicht steril.«
»Nein, natürlich nicht. Vielen Dank.« Miß Crouzet erhob
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