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Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Titel: Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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zum Abendessen angesagt hatten, mußte Eleanor rechtzeitig zu Hause sein, um die Tischordnung zu überwachen. Kester streifte sie mit einem leicht belustigten Blick aus den Augenwinkeln. »So«, sagte er, »also ich liebe es nicht, zu denken. Und was meinst du nun, worüber ich nachdenken sollte?«
    »Interessiert es dich beispielsweise nicht, wie die Leute beschaffen sind, mit denen du umgehst? Ihre Art, zu fühlen, zu reagieren, sich zu verhalten?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Warum sollte ich mich damit befassen?« Er umfuhr in geschickter Wendung ein Fahrzeug, das mitten auf der Straße hielt. »Die Menschen sind, wie sie sind. Was geht das mich an?«
    »Aber legst du denn keinen Wert darauf, sie zu verstehen?«
    Wieder sah er sie mit heimlichem Prüfen an; es zuckte leicht um seine Augenbrauen. »Eleanor, ich glaube, ich verstehe mehr von den Leuten, als du jemals verstehen wirst.«
    »Nein, das tust du gewiß nicht.«
    »Doch«, versetzte er leicht erheitert, »das tue ich. Sieh, ich betrachte sie einzeln als Individuen, eben als Menschen. Ich habe dich im Verdacht, daß du die Menschen betrachtest wie deine mathematischen Gleichungen, die du den Ingenieuren vorrechnetest.«
    Eleanor spielte mit einer Poinsettiablüte. Sie zupfte ein Blatt ab und betrachtete es. »Ich glaube, wir beide sind sehr verschieden, Kester«, sagte sie, »findest du das nicht auch?«
    Er nickte. »O ja, sehr, glaube ich, sehr verschieden. Du überraschst mich immer wieder.«
    »Und wer von uns, glaubst du, hat recht, wenn wir einmal wieder verschiedener Meinung sind?«
    Er lachte: »Ach, Eleanor, die Menschen haben nicht recht oder unrecht. Sie sind eben verschieden. Sie denken, empfinden und reagieren verschieden. Und warum nicht, um alles in der Welt? Es gibt schließlich braune und blaue Augen.« Er lenkte den Wagen von der Straße herunter und bog in den Baumwollpfad ein, der zum Deich hinüberführte.
    »Liegt da vielleicht der Grund, daß wir soviel Freude aneinander und miteinander haben?« sagte Eleanor nachdenklich. »Darin, daß wir beide so verschieden sind?«
    »Ja, Liebe. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe.«
    »Seltsam – nicht wahr? Du und ich, im selben Staat geboren, der gleichen Rasse angehörend, der gleichen Generation – und doch sind wir so ungleich in vielen Dingen.« Sie brach ab, und es sah aus, als sinne sie nach: »Du, ich glaube, ich weiß, wie es kommt«, setzte sie nach einem Weilchen hinzu.
    »Ja?« Seine Augen waren auf den Weg gerichtet; ihre Gedanken schienen ihm nicht sehr wichtig zu sein.
    »Du bist ein Südstaatler, und ich bin eine Amerikanerin«, sagte Eleanor.
    Kester grinste. »Du bist ein bezauberndes Mädchen, soviel ist sicher. Und ich denke mir schon, worauf du hinauswillst. Wenn ich einmal sterbe, wird man auf meinen Grabstein schreiben: ›Hier ruht ein Mann, der die Last einer großen Tradition auf seinen Schultern trug.‹«
    Nun lachten sie beide. Sie hatten den Uferdamm erreicht, und Kester begleitete sie zum Zelt. »Morgen komme ich wieder«, sagte er, als sie an der Tür standen; er lächelte sie mit bewundernden Blicken an. »Du siehst wundervoll aus mit dieser Pracht roter Blumen im Arm«, sagte er leise, »wirklich. Aber ich weiß noch etwas, das mehr ist: Du bist auch ein prachtvoller Mensch!«
    Sie sah ihn an; ein Zucken lief über ihr Gesicht: »Oh«, sagte sie, »o Kester! Sag so etwas nicht.«
    Sie folgte ihm mit den Blicken, während er den Deichabhang hinabkletterte, gewandt und geschmeidig wie ein Tänzer. Am Fuß des Dammes wandte er sich noch einmal um und winkte zu ihr herauf. Sie lächelte versonnen, zog eine einzelne leuchtende Blume aus dem Poinsettiastrauß heraus und begann halb unbewußt die Blütenblätter abzuzupfen.
    »Er liebt mich – er ist nur ein Charmeur; er liebt mich – er ist nur ein Charmeur – –«
    Es blieb, da das letzte Blütenblatt fiel, leider bei dem Charmeur.
    Eleanor lachte, ein halb nervöses, halb belustigtes Lachen. Sie warf den Blütenstengel fort und nannte sich selbst eine alberne Gans.
II
    K ester sang und pfiff vor sich hin, während er nach Ardeith zurückfuhr. Es war ihm nicht gegeben, sich mit Dingen zu beschäftigen, die über den Augenblick hinausragten. Er wußte nur, daß er niemals ein Mädchen wie Eleanor gekannt hatte, und sein einziger Verdruß war ihre Gewissenhaftigkeit, die sie veranlaßte, ihm so viele Stunden zu stehlen. Wäre sie nicht so besessen von ihrer Arbeit, von dem, was sie ›ihre

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