Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
genug.«
Eleanor sah an ihm vorbei, als wäre er nicht mehr vorhanden. »Ich weiß ja nicht, was alles dir im Leben begegnet ist«, sagte sie langsam, »vielleicht ist dir niemals dergleichen geschehen, vielleicht hast du es auch nur vergessen. Ich habe viele Leute über die Liebe reden hören. Aber niemand schien zu meinen, was ich heute fühle.«
»Ach Eleanor!« Ein gequältes Lächeln überschattete sein Gesicht. »Das sieht sich von ferne so an. Solange man unbeteiligt ist. Im Grunde meint jeder, was du meinst.«
Aber er war müde. Er sah, daß es keinen Zweck hatte. Gleichwohl redete er noch weiter, was seine Besorgnis ihm eingab. Er sei sicher, daß Kester Larne niemals die Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen könne, sagte er; wie solle er imstande sein, auch noch die Verantwortung für das Leben einer Frau zu tragen? Er redete und redete, er fand immer neue Beweisgründe für die gänzliche Unzuverlässigkeit Kester Larnes, aber Eleanor reichte es nun, sie wollte das nicht länger anhören. Sie blitzte ihn an, wie sie es nie bisher getan hatte, sie stammelte wirre, zusammenhanglose Worte, um ihre Liebe zu verteidigen, dann brach ihre Stimme um, und sie bat um Verständnis für ihr Gefühl und für das, was sie ihr Leben nannte, und dann schrie wieder die Verzweiflung aus ihr: »Es hat keinen Zweck, Papa. Ich liebe ihn. Warum willst du mich nicht verstehen? Du hast mich doch immer verstanden.«
Sie zerknüllte die Karte in ihrer Hand und begann zu schluchzen. Es war das erste Mal, daß Fred Upjohn seine Tochter in Tränen ausbrechen sah, seit der Zeit, da sie ein ganz kleines Mädchen gewesen. Mein Gott! dachte er, sie weint! Ich war doch zeitlebens ihr bester Freund. Weiß sie das denn nicht? Eleanor war sein erstes Kind, sie stand ihm näher als irgendeines seiner anderen Kinder. Sie war schon als kleines Mädchen zu ihm gelaufen gekommen und hatte sich von ihm trösten lassen, wenn ihre Puppe zerbrochen war. Später war sie mit ihren kleinen Trägheitssünden zu ihm gekommen. Sie hatte bei allen irgendwie wichtigen Fragen stets seinen Rat eingeholt, und er hatte mit ihr über seine eigenen Gedanken und Probleme gesprochen. Und bei alledem war niemals eine gereizte Stimmung oder auch nur der Anflug einer Mißstimmung aufgekommen.
Er trat hinter sie und strich ihr mit einem Anflug plumper Zärtlichkeit über die Schulter. Sie war jetzt enttäuscht von ihm, zum ersten Male in ihrem Leben war sie von ihrem Vater enttäuscht. Was sollte er tun? Er redete weiter auf sie ein, mit einer sachten, behutsamen Stimme nun, aber nicht weniger eindringlich. Und hatte bald darauf das Gefühl, daß weiteres Verharren auf seinem Standpunkt ihm nichts als ihren Haß und ihre Abneigung eintragen würden. Aber gerade weil er sie so sehr liebte, war er entschlossen, sich nicht irremachen zu lassen. Heimlich wünschte er sich die Zeiten zurück, da ein Vater die Macht hatte, seine Tochter hinter Schloß und Riegel zu sperren, bis sie seinem Willen gehorchte.
V
E leanor erwähnte Kester gegenüber nichts von dem heftigen Widerstand, auf den ihre Liebe bei ihrem Vater gestoßen war. Sie erledigte an den Vormittagen mit peinlicher Korrektheit ihre Arbeit und war jeden Nachmittag mit dem Geliebten zusammen. Meistens fuhren sie in seinem Auto fort, weil die alten Larnes noch auf Ardeith weilten und Kester keinen Wert darauf legte, sie zu Zeugen seines Glücks zu machen. Eleanor nahm an, daß er seinen Eltern Mitteilung von ihrer Verlobung gemacht habe, aber sie fragte ihn nicht. Es war schon genug, daß ihres Vaters hartnäckige Erbitterung den Zauberkreis trübte, in den sie sich versetzt sah, sobald sie mit Kester zusammen war.
Es war nun auch so, daß der neue Deichabschnitt in weniger als zwei Wochen fertiggestellt sein würde. Sie fürchtete sich heimlich vor der Rückkehr nach New Orleans. Solange sie Kester jeden Tag sah, ließ sich alles ertragen. War sie erst einmal aus seiner unmittelbaren Nähe verbannt, würde der ständige Kampf mit dem Vater, der sie jetzt schon ermüdete, zu einer nicht mehr abreißenden Qual werden.
Von ihrer Mutter waren ernsthafte Schwierigkeiten nicht zu befürchten. Mrs. Upjohn war eine Frau, die das Leben hinnahm, wie es sich gab. Sie hieß mit ihrem Mädchennamen Molly Thompson und hatte ihre Eltern bereits im Säuglingsalter verloren. In einem Methodisten-Waisenhaus war sie erzogen worden und hatte die Anstalt verlassen, um hinter den Verkaufstisch eines Provinzwarenhauses
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