Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Genaugenommen hatte er noch nie darüber nachgedacht, wen Eleanor wohl einmal heiraten könnte. Er war ohnehin überzeugt, daß kein Mann gut genug für sie wäre. Wenn ihn der Gedanke überhaupt einmal von ferne streifte, hatte er gedacht: Nun gut, einmal wird es sein. Ich werde ihr keine Schwierigkeiten machen. Wenn er ihr paßt, warum sollte er mir nicht recht sein? Zweifellos: Er hätte sie gehen lassen, wenn sie es ernsthaft wollte.
Aber doch nicht mit dieser verwelkten Rose des alten Südens! Dieser Larne hatte zeit seines Lebens nichts anderes getan, als sich zu amüsieren und ein paar flüchtige Blicke auf seine heruntergewirtschaftete Plantage zu werfen. Fred Upjohn lachte ingrimmig in sich hinein. Nichts hatte dieser Bursche sonst getan, nichts, was irgendwelchen Wert weder für ihn selbst noch für andere hätte! Der Deichbaumeister liebte seinen Beruf und war ihm mit leidenschaftlicher Hingabe zugetan, aber jetzt, in diesen nächtlichen Stunden, verwünschte er den unablässigen Zwang der Arbeit, der ihn gehindert hatte, ein Auge auf die Dinge zu werfen, die sich da vor seinen Augen abspielten. Warum, fragte er sich jetzt bedrückt und einigermaßen ratlos, warum habe ich mir nicht die Zeit genommen, mich wenigstens so viel um meine eigene Tochter zu kümmern, daß ihr diese Erfahrung erspart geblieben wäre?
Am nächsten Morgen erschien Eleanor gegen ihre Gewohnheit erst nach sieben Uhr. Fred hatte sein gleichfalls verspätetes Frühstück bereits eingenommen.
»Ich dachte, du würdest bis jetzt doch auf dem Deich sein«, bemerkte Eleanor, während sie sich am Tisch niederließ.
»Ich hatte ziemlich lange zu tun in der Nacht«, versetzte Fred. »Der Bericht für das Deichbauamt.«
»Bist du fertig geworden? Soll ich ihn abschreiben? Dann fange ich gleich nach dem Frühstück damit an.«
Eleanor hatte offensichtlich nicht viel geschlafen. Sie hatte schwere Augenlider, spielte zerstreut mit ihrem Schinkenbrötchen und trank eine Tasse Kaffee nach der anderen. Fred wußte nicht, wie er beginnen sollte. Was immer er sagen würde, es würde böse klingen und seine Gereiztheit verraten. Ein Mann, der sein ganzes Leben in Deichbaulagern zugebracht hatte, hatte keine Zeit, diplomatische Phrasen zu erlernen.
Er schreckte aus seinem Grübeln auf, als Randa hereinkam und Eleanor einen großen Strauß roter Kamelien überreichte.
Eleanor sprang auf, um sie entgegenzunehmen. Während sie die Karte las, die dem Strauß angeheftet war, überflog ein träumerisches Lächeln ihr Gesicht. Sie sah auf. »Wartet der Bote, Randa?«
»Yassum, Miß Elna. Wartet!« Randa grinste verständnisinnig.
»Laß ihm in der Küche Kaffee geben, während ich die Antwort schreibe.«
Randa verließ den Raum, und Eleanor setzte sich an ihren Platz. Fred Upjohn erhob sich.
»Von wem sind die Blumen?« fragte er gänzlich überflüssigerweise.
»Von Kester.« Sie schrieb bereits.
»Warte ein wenig, bevor du antwortest«, sagte Fred.
Eleanor ließ den Federhalter ruhen; sie sah ihn an, als erblicke sie sein Gesicht zum ersten Male: »Warum, Pa? Was ist?«
Er durchquerte mit großen Schritten das Zelt und blieb vor ihr stehen.
»Eleanor«, sagte er, sie fest ansehend, »du liebst diesen Mann?«
Er sah, daß sie leicht errötete. Sie nickte wie im Traum und lächelte versonnen vor sich hin; er vermochte ihren Blick nicht zu halten. »Woher weißt du es?« fragte sie nach einem kleinen Weilchen.
»Ich war noch auf, als du in der Nacht nach Hause kamst«, sagte er. »Ich sah, wie du ihn küßtest.«
Im ersten Augenblick war er auf eine empörte Entgegnung gefaßt. Aber dann wurde ihm bewußt, daß er sie unterschätzte. Eleanor hatte niemals ein Geheimnis vor ihm gehabt, und sie schien auch jetzt nicht gewillt, etwas vor ihm zu verbergen. Sie sagte leise, den Blick auf die Kamelien geheftet: »Du erfährst es als erster. Ich werde ihn heiraten.«
»Nein, das wirst du nicht«, sagte Fred Upjohn und wunderte sich über den harten und kühlen Ton seiner Stimme.
Dann sah er ihre groß aufgerissenen Augen. Sie starrte ihn an. Fast tonlos, wie aus einem großen Staunen heraus, sagte sie: »Was heißt das? Gewiß werde ich ihn heiraten.«
Fred Upjohn stand da wie ein Block, die Hände in den Taschen seiner Hose. Jäh wurde ihm bewußt, daß er in eine fremde, ihm in keiner Weise zugängliche Welt hineinredete. Lieber Gott, er wollte ihr doch nicht weh tun. Wie sollte er es nur sagen? Er ärgerte sich über seine Unbeholfenheit und
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