Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
rief Eleanor aus.
»Gib mir die Zeitung zurück; ich will den Artikel durchsehen, von dem du gesprochen hast«, sagte Kester. Gleich darauf leuchtete sein Gesicht auf, als die Tür sich öffnete. »Hallo!« rief er, »wer hat dich denn hereingelassen?«
Eleanor legte die Zeitung aus der Hand und lächelte. Cornelia kam quer über den Teppich auf sie zugekrabbelt. Dilcy stand in der Tür. Sie habe gedacht, daß Master Kester und Miß Eleanor es gern sehen würden, wenn die kleine Miß ihnen gute Nacht sage, erklärte sie.
Cornelia kroch vom Tagesanbruch bis zur Dunkelheit im Hause umher, ohne jemals müde zu werden. Eleanor hatte Dilcy veranlaßt, ihr kleine Overalls aus grobem blauem Drillich zu machen, um ihre Beinchen zu schützen, und Cornelia hatte vom vielen Rutschen weiße Flecke auf den Knien. Sie änderte jetzt ihren Kurs und kam direkt auf ihren Vater zugerutscht.
Eleanor sah es nicht ohne ein leises Neidgefühl. Kester besaß selbst schon für ein Baby eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Sie tat alles, was für Cornelia getan werden mußte, und sie tat alles mit großem Ernst und liebevoller Hingabe, aber Cornelia betrachtete sie nicht anders als die Möbelstücke in ihrem Zimmer. Kester pflegte ihr kleine Wünsche zu erfüllen und allerlei Allotria mit ihr zu treiben, dafür schenkte das Kind ihm die ganze Liebe seines kleinen Herzens. Eleanor sah das und war nicht selten beschämt, während Kester keinen Gedanken daran verschwendete. Er war nur entzückt, daß Baby gelernt hatte, ihn zu erkennen. Er nahm jetzt das Kind auf, schwang es hoch über seinen Kopf und setzte es wieder auf seine Knie. Cornelia krähte vor Glück.
»Genug, Master Kester, genug!« rief Dilcy nach einer Weile. »Sie dürfen das Kind nicht so aufregen. Sie wird sonst nicht schlafen. Komm her, kleine Miß!«
»Gib sie mir«, sagte Eleanor; sie nahm das Baby und küßte es. »Ist es nicht süß?« rief sie über Cornelias Köpfchen weg Kester zu.
Cornelia zappelte und streckte ihre Ärmchen dem Vater entgegen. Kester schüttelte ernsten Gesichtes den Kopf. »Meine gnädige Miß«, sagte er, »du gehst jetzt zu Bett.« Cornelia wurde Dilcy zurückgegeben und protestierend aus dem Zimmer getragen.
Kester sah ihr mit stolzen Blicken nach. »Sie weiß jetzt ganz genau, daß sie ins Bett soll und mag das gar nicht«, lachte er. »Sie ist ein ungewöhnlich kluges Kind.«
Eleanor tat, als sei sie mit ihrem Hauptbuch beschäftigt. »Ja«, versetzte sie, »ich glaube, sie wird sehr klug werden.«
»Und hübsch dazu mit den großen, dunklen Augen, die sie hat. Ich glaube, sie ähnelt mir ziemlich, findest du nicht auch?«
»Doch, zweifellos«, gestand Eleanor zu, »nur wird sie, fürchte ich, mein Kinn bekommen.«
»Ich hoffe, sie wird deine Figur bekommen«, sagte Kester.
Eleanor mußte lächeln. Er hatte eine so liebenswürdige Art, ihr Gefühl zu schonen oder sie zu besänftigen, selbst wenn ihm gar nicht bewußt war, sie verletzt zu haben. Hoffentlich half ihr der Himmel, daß nie der Verdacht in ihm aufkam, sie könne ihm die Liebe des Kindes übelnehmen. Wenn ich keinen anständigen Charakter habe, dachte sie, als sie zum Essen ins Speisezimmer hinübergingen, dann muß ich mich wenigstens so benehmen, als hätte ich einen.
Danach versuchte sie, ihre Gedanken auf die Baumwolle zu konzentrieren. Die Baumwolle stand wundervoll; sie hatte eben zu blühen begonnen, und die Felder machten den Eindruck eines riesigen wohlgepflegten Blumengartens. Sie las Zeitungen, freute sich über den hohen Stand der Baumwollnotierungen und stimmte Kester darin zu, daß der neue Erbe des österreichisch-ungarischen Thrones, Erzherzog Franz Karl, einen sehr viel angenehmeren Eindruck mache als der ermordete Franz Ferdinand mit seinem grimmig hochgezwirbelten Schnurrbart.
Ermutigt durch die hohen Marktnotierungen für Baumwolle, wagte sie, einkaufen zu gehen. Sie kaufte einige unbedingt notwendige Sachen für Cornelia und gab nach einigem Zögern der Versuchung nach, ein schwarzes Taftkleid mit einem bis zum Knie geschlitzten Rock und einem Wasserfall von weißem Georgette sowie einen schwarzen Hut mit drei weißen Federn zu erwerben. Als Kester sie mit der neuen Pracht sah, schenkte er ihr einen langen bewundernden Blick. »Großartig!« rief er aus, und dann, mit einem Wink der Hand nach den blühenden Baumwollfeldern, »aber ich denke, du kannst die Pracht für einen Trauerfall aufsparen. Wenn die Baumwolle in diesem Jahr wirklich mehr als
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