Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
zehn Cents bringt, möchte ich, daß du ein eigenes Auto bekommst und einen Mantel mit großem Fuchskragen.«
Sie lächelten sich an im Bewußtsein eines gemeinsam vollbrachten Werkes.
Mitte Juli nahmen die Baumwollblüten eine sanftrosa Farbe an. Das Wetter war fürchterlich heiß, für Menschen kaum zu ertragen, aber großartig für die Baumwolle. Und auf ganz Ardeith war kein einziger Kapselwurm zu finden. Auf den am weitesten fortgeschrittenen Feldern begannen die Blütenblätter bereits zu fallen und ließen kleine grüne Kapseln an den Stengeln zurück. Eleanor wurde durch den Anblick der aufbrechenden Kapseln angefeuert und begriff nicht, warum Kester in seinen Anstrengungen nachzulassen begann. »Was hast du?« rief sie aus, als sie ihn eines Tages lang ausgestreckt mit einer Zeitung in der Hand und einem Glase neben sich auf dem Sofa liegend fand; es war ein Uhr mittags. »Bist du vor der Sonne bange?«
Kester lachte sie an. »Du würdest auch noch die Baumwolle zu Tode arbeiten, Eleanor«, sagte er, »setz dich hin.«
Sie gehorchte unwillig; er ließ die Zeitung sinken.
»Wenn du jetzt den Boden aufwühlen würdest, mein Herz, so könnten die Pflanzen nicht wachsen«, erklärte er. »Zwischen Blüte- und Pflückzeit darf man den Boden nur nach einem Regen lockern. Laß ihn also in Ruhe.«
Es schien ihr gar nicht recht. »Aber ich kann jetzt nicht stillsitzen«, sagte sie, »ich bin viel zu ungeduldig.«
»Du würdest sicher eine ausgezeichnete Hilfe für einen Pilgervater abgeben«, lachte Kester, »aber Pilgerväter können keine Baumwolle bauen.«
Sie gab es auf. Das Zimmer war kühl; die Vorhänge flatterten in einem höchst willkommenen Wind. Der Wind brachte einen Hauch von Pfefferminze in den Raum. »Kester –«, begann sie.
»Ich habe dir versprochen, mich nicht mehr zu betrinken«, sagte Kester. »Aber ich versprach dir nicht, keinen Julap mehr zu trinken, wenn ich sonst nichts zu tun habe. Beherrsche dich also bitte.«
Sie begann zu lachen. »Ich bin ein Idiot«, sagte sie; »schmeckt der Julap?«
»Zieh die Glocke. Es stehen noch drei Gläser im Eisschrank.«
Sie ließ sich ein Glas kommen und fand, nachdem sie gekostet, daß sie den Julap auch ganz gerne trinke. »Was steht da für eine dicke Überschrift am Kopf der Seite?« fragte sie.
»Eisenbahnraub in der Nähe von New Orleans.«
Er hatte die Zeitung so gefaltet, daß sie den Kopf der Hauptseite umgekehrt vor sich hatte. Sie begann müßig die Überschrift eines anderen Artikels zu buchstabieren: »›U-1t-i-m – – Ultimatum an Serbien – –‹«
»Hör' auf zu murmeln«, sagte Kester. »Ich lese gerade die Sache mit dem Eisenbahnraub.«
»›– läßt den Serben knapp Zeit –‹«, las Eleanor. »Was ist das denn mit Serbien?« fragte sie.
»Ich weiß nicht«, sagte Kester abwesend, »steht da irgendwas Interessantes?«
Eleanor lehnte sich zurück und erfreute sich an dem frischen, kühlen Luftzug, der vom Fenster herüberkam. Wenn es nicht nötig war, der Baumwolle in nächster Zeit größere Aufmerksamkeit zu schenken, dann gab es sonst noch allerlei zu tun, fand sie. Cornelia war aus aller Kleidung herausgewachsen. Es tat Eleanor leid, dem Kind nicht eine Anzahl Jugendspielanzüge gemacht zu haben, denn die Kleine begann nun allmählich herumzuwatscheln, und ihre kleinen Beinchen würden in den Puffhöschen aus gestärktem Baumwollstoff sicher entzückend aussehen.
Cornelia bildete weiterhin das Hauptentzücken in Kesters Leben, obgleich es ihn zu Tode betrübte, daß sie sich weigerte, sprechen zu lernen. Eleanor versuchte ihm zu erklären, daß noch verschiedene Monate vergehen müßten, bis man dergleichen billigerweise erwarten könnte; Kester war davon nicht zu überzeugen. Er versuchte, dem Kind das Wort Vater beizubringen. Kester konnte Kosenamen nicht leiden; er meinte, ein Baby könne geradesogut Vater wie Vati oder Papa oder irgendein ähnliches Schmeichelwort lernen. Das Baby und die Baumwolle blieben gleicherweise wichtig, für andere Dinge interessierten sie sich nicht. Selbst als die Zeitung, die dick ins Auge springende Überschrift ›EUROPA ZITTERT VOR DEM AUSBRUCH DES KRIEGES‹ brachte, nahmen sie sich nicht mehr als eine halbe Stunde Zeit, um darüber zu sprechen, dann waren sie wieder bei der Baumwolle angelangt. Als sie am nächsten Tag lasen: ›ÖSTERREICHISCHE TRUPPEN IM ANMARSCH AUF SERBIEN‹, begann Kester zu lachen. »Ich denke, die Amerikaner hätten ein verdammtes Recht,
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