Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
gefährlich, mit außergewöhnlichen Umständen zu rechnen, und legte deshalb ihren Kalkulationen nur einen Durchschnittspreis von zehn Cents zugrunde. Selbst bei zehn Cents und der zu erwartenden Jahresernte konnten die Neueinrichtungen auf der Plantage bezahlt werden (es handelte sich da nur um wenige, absolut unerläßliche Anschaffungen; bares Geld wurde noch nötiger als Pflüge gebraucht); die Bank konnte die Zinsen erhalten und für die Kapitalabzahlung im nächsten Jahr konnte ebenfalls schon eine Summe beiseite gelegt werden. Sollte der Preis wirklich höher als zehn Cents pro Pfund liegen, dann konnten Traktoren und einige der neuen Vier-Reihen-Pflüge angeschafft werden, wodurch zahlreiche Handarbeiter eingespart werden könnten. Aber das waren, so fand sie, zunächst Hirngespinste, auf die sie sich in keiner Weise verlassen würde.
»Eine tolle Geschichte!« sagte Kester.
Sie sah auf und kam aus ihrem Sinnen in die Gegenwart zurück. »Was, die Mordsache in der Zeitung? Lies es mir vor. Ich kann das hier auch nach dem Abendessen beenden. Ist es etwas aus New Orleans?«
»Nein. Viel interessanter. Es handelt sich um den Thronfolger von Österreich-Ungarn.«
»Großer Gott! Hat man ihn ermordet? Wo? In Wien?«
»Nein, – in – –«, Kester buchstabierte das Wort langsam, »in S-a-r-a-j-e-w-o.«
»Wo ist das?«
»Ich weiß nicht. Irgendwo auf dem Balkan. Der Mörder heißt G-a-v-r-i-1-o P-r-i-n-c-i-p. Sie haben ihn gefaßt.«
Über seine Schulter hinwegsehend, stieß ihr Auge auf eine dreispaltige Überschrift:
»ÖSTERREICHISCHER THRONERBE OPFER EINES
MORDANSCHLAGES!«
Kester begann laut zu lesen:
»›Erzherzog Franz Ferdinand, der Erbe des österreichisch-ungarischen Thrones, und seine morganatische Gemahlin, die Herzogin von Hohenberg, wurden heute auf der Fahrt durch die Straßen von Sara – ich kann das nicht aussprechen –, der Hauptstadt Bosniens, erschossen. Die tödlichen Schüsse wurden durch einen serbischen Studenten abgefeuert. Der langen Liste von Tragödien, welche die Regierung Kaiser Franz Josephs verdunkeln, ist mit diesem Attentat ein neuer posten hinzugefügt worden.‹«
»Armer alter Mann«, murmelte Eleanor. »Er hat ein schweres Leben hinter sich.« Kester fuhr fort:
»›Auf der Rückfahrt von der Stadthalle fuhren der Erzherzog und seine Gemahlin nach dem Krankenhaus. An einer Straßenecke sprang Gavrilo – ich weiß nicht, wie der Kerl heißt –, wie ein Pfeil auf das Auto zu und feuerte eine Salve auf die Insassen des Wagens ab. Die Schüsse fanden ihr Ziel: Der Erzherzog und die Herzogin wurden tödlich verwundet.‹« Er brach ab. »Lies den Rest selbst«, sagte er, »das ist zu schwere Kost für eine amerikanische Zunge.«
Er gab ihr die Zeitung; sein Daumen zeigte auf den nächsten Absatz. Eleanor las:
»›Der Mörder, ein Mann mit fanatischen Grundsätzen, und ein anderer Verschwörer, ein Schriftsetzer aus Trebinje namens Gabrilowicz, entgingen nur mit Mühe dem Schicksal, von der wütenden Volksmenge gelyncht zu werden. Beide waren Einwohner der annektierten Provinz Herzegowina.‹«
Sie sah auf. »Die Drucker und Korrektoren der Zeitung wünschen wahrscheinlich, daß der Balkan auf den Meeresgrund versunken wäre«, sagte sie. »Schau, Kester, hier unter dem Bild des Erzherzogs ist ein interessanter Artikel«, fuhr sie fort. »Es heißt da, daß Mais auf frisch urbar gemachter Erde besonders gut gedeihe. Das gleiche gelte für Sellerie. Verstehst du etwas von Sellerie?«
»Ich denke, wir bleiben der Baumwolle noch eine Weile treu«, antwortete er. »Gerade jetzt, wo es bei uns zu blühen beginnt, denke ich nicht gern an einen Wechsel. Ich habe niemals irgendwo bessere Baumwolle gesehen.«
»Ist denn der Gemüseanbau grundsätzlich überhaupt lohnend?«
»Er kann es sein. Unbedingt. Du pflanzt zuerst Mais, und wenn du neben dem Mais –«
»Neben dem Mais?«
»Wenn du ihn zum letztenmal hackst, geh mit der Drillmaschine darüber und pflanze Erbsen. Wenn der Mais dann geschnitten wird, pflanze gleich noch einmal Mais. Die zweite Maisernte wird in der Regel nur als Pferdefutter verwandt. Dann pflanzt du Kartoffeln und zwischen die Kartoffeln Schalotten. Wenn du dann im späten Winter umgepflügt hast, kannst du abermals Mais pflanzen. Mit fünf Ernten im Jahr: zwei Maisernten, Kartoffeln, Erbsen und Zwiebeln – kannst du einen ganz hübschen Gewinn erzielen, wenn du das Land gut in Ordnung hältst.«
»Nun, das tust du ja wirklich«,
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