Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Stirn. »Siebeneinviertel Cents?« rief er aus. »Was redest du denn da? Das hieße die Baumwolle verschenken.«
»Ja«, sagte sie, »ich weiß. Aber wir werden damit rechnen müssen. Und das würde bedeuten, daß wir an nichts als die Zinsen und die ausstehenden Rechnungen denken können. Wir können dann keinen Cent in die Plantage stecken und schwerlich ein Paar Schuhe für den Winter kaufen. Und selbstverständlich können wir keinen Penny für die Kapitalabzahlung auf die Seite legen.«
»Siebeneinviertel Cents«, wiederholte Kester, als handle es sich um Worte, die man in anständiger Gesellschaft nicht aussprechen könne, »es ist unausdenkbar.«
»Ja, denken magst du, was du willst«, sagte sie ungerührt. »Ich muß mir überlegen, womit wir zu rechnen haben.«
»Dann wäre es bald besser, die Ernte unterzupflügen«, rief Kester erbittert.
»Ja, guter Gott, Kester!« schrie sie, »glaubst du etwa, daß es mir Freude macht? Aber ist dir nicht klar, daß man in verzweifelter Situation alles nehmen muß, was man bekommen kann?«
»Liebe, vergib mir!« Er kam heran, trat hinter die Lehne ihres Stuhles und küßte sie auf die Stirn. »Du hast einen Tatsachensinn, der mich immer wieder verblüfft«, sagte er. »Ich vermöchte bei so einem Preis nicht einmal auszurechnen, was für die Zinsen verbleibt.«
Sie lehnte sich gegen ihn; alle Glieder schmerzten sie vor Enttäuschung und auch vor Erschöpfung. »Ich bin schon dabei, Hungerlöhne für die Pflücker auszurechnen«, sagte sie. »Vierzig Cents für hundert Pfund; wahrhaftig, ich tue das nicht gern, aber wenn die Baumwolle so weit heruntergehen sollte, werden sich auch die Pflücker einschränken müssen. Oh!« – sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Und ich hatte schon geplant, Traktoren, maschinelle Pflüge und einige hübsche Sachen für Cornelia anzuschaffen. Sie läuft diesen Sommer herum wie das Kind eines Almosenempfängers.«
Kester hatte seinen Arm um sie geschlungen. »Was soll ich dir sagen, Liebes?« flüsterte er mit einer fast tonlosen Stimme; »ich weiß nur, daß du großartig bist. Und ich fühle mich elender als du.«
Sie hielt seine Hand. Sie wagte ihm nicht zu widersprechen, denn sie fühlte, daß sie beim ersten Wort zusammenbrechen und schluchzen würde. Und sie wollte nicht weinen. Das hätte ihr das Gefühl gegeben, sich wie eine Närrin zu benehmen.
Als sie am nächsten Morgen über die Felder ritten, stand die Baumwolle noch immer in so verschwenderischer Pracht, als hätte die Beschießung Belgrads nie begonnen. Mit stolzer Genugtuung versicherte ihr Kester, dies sei die ausgezeichnetste Baumwollernte, die jemals irgendwo auf der Welt gewachsen wäre. »Und was hilft uns das?« rief sie erbittert, »wenn die Preise so niedrig liegen?«
»Wer will wissen, ob sie so niedrig bleiben«, sagte er. »Wir werden die Baumwolle nicht vor sechs, sieben Wochen verkaufen.«
Sie streichelte die Mähne ihres Pferdes. »Ich weiß«, sagte sie, »ich schäme mich meiner Unbeherrschtheit. Aber es hat mich zu tief getroffen.«
»Ach, hör auf!« sagte Kester, wandte sein Pferd und begann nach der Plantage zurückzureiten. Eleanor folgte und fand ihn am Telefon. »Ich rufe New Orleans wieder an«, sagte er, »der Markt kann sich inzwischen geändert haben. Gehe hinauf und höre zu, wenn du willst.«
Eleanor sprang die Treppe hinauf und setzte sich, den Hörer in der Hand, auf ihr Bett. Sie mußte längere Zeit warten, denn Kester hatte Schwierigkeiten, Sebastian ans Telefon zu bekommen. Als er sich schließlich meldete, war Stimmengewirr hinter ihm im Raum. In ihrer fieberhaften Unruhe dünkten die Geräusche ihr ein Höllenlärm zu sein. Dann hörte sie Kester sprechen:
»Sebastian, wie steht's mit der Baumwolle?«
Sie hörte Sebastian schwer atmen. »Weiter fallend«, sagte er.
»Aber was geht vor?«
»Kannst du nicht lesen? Rußland hat mobilisiert. Gott weiß, wer heute nacht sonst noch dazukommt.«
Kester stellte weitere Fragen. Sebastian antwortete kurz, als ob er nicht in der Stimmung sei, mit irgend jemand zu diskutieren. Mit einem offensichtlichen Versuch, sich optimistisch zu geben, sagte er schließlich: »Die Baumwolle steht vorerst ja noch in der Blüte. Vielleicht geht der Krieg in ein paar Monaten zu Ende.«
»Das sagten sie damals vom Bürgerkrieg auch, als er anfing«, versetzte Kester, »und dann dauerte er – –«
Sebastian unterbrach ihn; seine eigene Bestürzung kam jetzt zum Ausdruck: »Ja, um
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