Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
schlösse wie mit Klara und Violet.«
»Ja, was soll ich dazu sagen? Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«
»Kester, eine deiner wundervollsten Eigenschaften ist die, daß du nicht denkst. Das wird dich ewig jung erhalten. Aber ich zweifle nicht, daß sich ein paar Leute finden werden, die gelegentlich erzählen, daß wir früher häufige Tanzpartner waren. Ich meine, wir würden in diesem Winter alle erheblich glücklicher sein, wenn Eleanor bei ihrer Unbefangenheit bliebe und nicht auf den Gedanken käme, es könnte zwischen uns mehr gewesen sein als etwa ein Kuß. Findest du nicht, es wäre vernünftig, wir würden über alle diese Fragen einmal in Ruhe wie ein paar zivilisierte und erwachsene Leute reden?«
»Vielleicht«, sagte Kester, »vielleicht hast du recht. Nur«, fügte er mit etwas erhobener Stimme hinzu, »erinnere dich dann auch daran, daß wir beide – zivilisiert und erwachsen sind.«
»Du wirst also kommen?«
»Wann denn? Etwa jetzt gleich?«
»Ja, Kester, ich bitte dich darum. Sieh, das ist natürlich nicht alles, was ich dir sagen wollte. Ich brauche auch in anderen Fragen deinen Rat. Es sind da eine Menge Unannehmlichkeiten, in denen ich stecke. Vielleicht kannst du nicht nachempfinden, wie es ist, wenn ein Leben plötzlich in zwei Hälften zerschnitten wird. Ich mußte fliehen wie ein gesuchter Verbrecher.«
»Fliehen? Wieso?«
Ihre Stimme klang hilflos: »Sei jetzt nicht so grausam, Kester. Ich brauche dich wirklich. Ich bin so verloren und müde. Ich komme mir vor wie in einem fremden Land. Niemand außer dir würde das verstehen.«
»Ich glaube zu verstehen.«
»Natürlich tust du das. In ganz Dalroy bist du der einzige wirkliche Freund, den ich habe, der einzige Mensch, mit dem ich vernünftig reden kann. Könntest du dich nicht entschließen, mir wenigstens einen einzigen Nachmittag zu widmen? Kester, bitte! Ich brauche dich!«
»Du armes Mädchen!« rief Kester mit etwas gewaltsamer Heiterkeit, »ist es wirklich so schlimm?«
»Ja, das ist es. Wirst du herüberkommen?«
»Ja. Ich werde kommen. Aber warte – häng noch nicht ein –, es muß wirklich bei diesem einen Mal bleiben.«
»Gut, gut, wenn du nur kommst. Ich danke dir, Kester, ich danke dir.«
Eleanor hörte noch das Klicken der beiden Hörer, bevor sie ihren eigenen abhängte. Als sie die Hand zurücknahm, fühlte sie, daß ihre Finger steif waren.
»Und ich war noch liebenswürdig zu dieser Person!« sagte sie laut vor sich hin.
Sie zitterte vor Erregung am ganzen Körper. Das Aufregende war nicht, zufällig auf eine Jugendsünde von Kester gestoßen zu sein. Unglaublich war es, daß diese Isabel schamlos genug war, in den Frieden ihrer Ehe einzubrechen, und daß Kester sich offenbar gar nicht bewußt war, was er im Begriff war, zu tun. »Könntest du dich nicht entschließen, mir wenigstens einen einzigen Nachmittag zu widmen? Kester, ich brauche dich!« Schamloser ging es doch wahrhaftig nicht mehr. Jeder, der nicht völlig mit Blindheit geschlagen war, konnte diese Worte ohne weiteres übersetzen in das, was eigentlich gemeint war: »Jetzt, wo ich dich wiedergesehen habe, will ich dich auch wieder haben!«
Sie hörte das Hufgeklapper eines Pferdes in der Allee, ging zum Fenster und sah Kester auf das Parktor zureiten. Es hatte aufgehört zu regnen. Offensichtlich dachte er, sie wäre noch nicht aus der Stadt zurück, und hatte gar nicht nach dem Auto gesehen. Da ritt er also hin. Überzeugt von seiner Fähigkeit, den Kuchen zu essen und ihn gleichwohl noch zu haben. Nun würde er sich anhören, was für Sorgen die arme Isabel drückten. Sie würde sie ihm schon drastisch genug illustrieren. –
Eleanor drehte nervös an der Vorhangschnur herum. Sie gedachte des Abends, da sie Kesters Frage, ob sie ihn heiraten wolle, bejaht hatte. Damals hatte sie ihn gefragt: »War eines dieser Mädchen – wichtig für dich?« Und er hatte geantwortet: »Da war ein Mädchen, das zeitweilig ziemlich wichtig war. Aber es währte nicht lange. Ich habe sie seit Jahren nicht mehr gesehen.« Sie hatte bisher nie wieder an diese Unterredung gedacht. Kester hatte ihr nie einen Grund gegeben, daran zu zweifeln, daß er sie liebte.
Ich habe auch jetzt keinen Grund, redete sie sich selber zu. Was immer zwischen ihm und Isabel gewesen sein mochte – es war vorüber, wenigstens, soweit es Kester betraf. Sie rief sich in die Erinnerung zurück, was er am Telefon gesagt hatte. Er war sehr zurückhaltend gewesen. Im Grunde
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