Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
sie, »Fräulein Agathas pädagogische Fähigkeit! Oder« – sie lachte – »vielleicht, weil du so süß aussahst.«
Sie lachten alle, und irgend jemand erwähnte die Spiele, die sie auf dem Uferdamm hinter den Baumwollfeldern zu spielen pflegten. Über den einzelnen Bildern, die hervorgekramt wurden, schwebte die zärtliche Heiterkeit, die Erwachsenengesprächen eignet, wenn selige Jugenderinnerungen hervorgeholt werden. Selbst wenn Isabel nicht zugegen gewesen wäre, würde sich Eleanor aus dem Kreis dieser Erinnerungen ausgeschlossen gefühlt haben, weil sie ihre Jugend woanders verbracht hatte. Isabel saß am Klavier. Sie klimperte ein wenig auf den Tasten herum und begann dann eine Melodie zu intonieren. »Erinnert ihr euch? › Chickama, chickama, craney crow – ‹ «
Auch dieser Abend ging zu Ende. Als sie sich von den anderen verabschiedet hatten, war Kester strahlender Laune. »War das nicht eine wundervolle Party?« fragte er, während sie nach Hause fuhren.
»Ich habe nichts, worüber ich mit all diesen Leuten sprechen könnte«, sagte Eleanor.
»Du bist dumm, Mädchen. Sie mögen dich alle gern.«
Eleanor sah auf die Bäume, an denen sie vorüberfuhren, und fragte sich, ob Kesters Freunde sie akzeptiert hatten, weil sie sie mochten oder weil sie Kester mochten. Sie gebot sich selber, nicht zu sehr auf sie zu achten. Als sie nach einiger Zeit Ardeith erreichten, kam sie zu dem Schluß, daß stillschweigendes Vertrauen für jede andere Frau aus Kesters Kreis passen mochte; für sie selber und ihre eigene Natur war es nicht möglich, länger zu schweigen. »Bist du müde?« fragte sie, während sie die Treppen hinaufstiegen.
»Nein. Warum?«
»Komm herein«, sagte Eleanor und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. »Ich möchte dich etwas fragen.«
Kester folgte ihr ins Zimmer und setzte sich. »Du machst ja ein mächtig feierliches Gesicht, Honigkind«, sagte er, während er sich eine Zigarette entzündete, »was hast du für Kummer?«
Honigkind! Das hat er lange nicht mehr gesagt. Sie setzte sich auf die Kante des Bettes und sah zu ihm auf.
»Kester, es wäre vielleicht gut, wenn du mir etwas über – Isabel Valcour erzählen würdest«, sagte sie.
Er runzelte, offensichtlich verwirrt, die Stirn. Nach kurzem Schweigen sagte er mit etwas gepreßter Stimme:
»Was für einen Unsinn hat man dir da erzählt?«
»Niemand hat mir etwas erzählt«, sagte sie. »Bitte, glaube nicht, daß ich meine privatesten Angelegenheiten mit allen möglichen Leuten bespreche.«
»Nein«, versetzte er, »das könnte ich mir von dir auch nicht vorstellen. Was willst du also, das ich dir sagen soll?«
Eleanor sah auf ihre Hände herab. Sie waren wie alle ihre Glieder mager, hart, voller Muskeln und griffig. Sie hob ihre Augen wieder auf zu ihm.
»Ich bin ziemlich beschämt«, sagte sie offen; »ich hätte dich früher danach fragen sollen. Aber ich dachte, du würdest es mir von selbst sagen. Und ich bin auch für dich ziemlich beschämt, weil du es nicht tatest. Ihr hattet eine Affäre miteinander, du und Isabel, bevor sie verheiratet war, nicht wahr? Und an dem Tage, nachdem wir sie abends im Jagdklub trafen, rief sie dich an, erinnerte dich an die Vergangenheit und bat dich, sie zu besuchen. Und du rittest hin.«
Kester warf seine Zigarette in den Kamin und ließ sein Kinn in die aufgestützte Hand sinken. Er betrachtete sie mit einem Ausdruck befremdeter Überraschung, aber er machte durchaus keinen schuldbewußten Eindruck.
»So«, sagte er, »das wäre also der Grund für dein Verhalten in letzter Zeit.«
»Ja. Allerdings. Meinst du nicht, du hättest es mir sagen müssen?«
»Vielleicht. Aber jetzt hätte ich erst gerne einmal gewußt, welche Art Detektivarbeit du da geleistet hast«, bemerkte er kühl.
»Ich habe euch sprechen hören am Telefon. Hier an diesem Apparat. Das ist alles.«
Er stieß einen bösen Pfiff aus. »So!« sagte er. »Und von dir habe ich geglaubt, du seiest die ehrenhafteste Person, die ich jemals gekannt habe.«
Sie sah ihn entsetzt an. »Guter Gott, Kester, ich habe nicht beabsichtigt zu lauschen. Ich kam zufällig an den Apparat. Und ich wollte einhängen, als ich deine Stimme hörte. Aber als sie dann sagte: ›Ist deine Frau da?‹ – was, im Namen der menschlichen Natur, konnte ich denn da tun?«
»Verzeih!« sagte er, »ich verstehe. Nein, im Augenblick konntest du wohl nicht anders handeln. Aber ich wünschte, du hättest mich gleich gefragt, anstatt dir
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