Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
hatte er nichts gesagt, wogegen sie etwas hätte einwenden können. Nur daß er eben Isabels Zudringlichkeit am Ende nachgegeben hatte und zu ihr geritten war. Aber Isabel – –; Eleanor ballte die Fäuste.
Wir sind sehr verschieden, Isabel und ich, dachte sie. Ganz unmöglich könnte ich zu jemand so sprechen, wie Isabel eben mit Kester geredet hat. Ich kann gehen, wohin ich mag, aber ich kann mich nicht heimlich an jemand anschleichen. Ich bin geradezu und vielleicht manchmal etwas zu schnell mit der Zunge, aber sie ist schlau. Ich glaube, alle Frauen aus Kesters früherer Welt waren ähnlich: klug, sanft, katzenhaft; nie genau heraussagend, was sie wollten, immer hinten herum vortastend, eben schlau, daß die Männer denken mußten, sie handelten aus eigenem Antrieb. Da denke ich nun über diese mir fremde Isabel nach, die den Anschein erweckt, als sie sei Europäerin oder Kosmopolitin geworden. In Wirklichkeit ist sie eine dieser Magnolien, die hierzulande in der alten Südstaatenluft zu gedeihen pflegen und die ihre zähen Stengel unter zarten, weißen Blütenblättern verbergen. Sie ist in dieser Luft aufgewachsen; sieben Jahre Europa haben daran nichts geändert.
Gut, Isabel! Sei so rührend und so hilflos, wie du magst! Aber ich bin Kesters Frau und nicht eine seiner zufälligen Eroberungen! Du würdest gut daran tun, den Kampf mit mir nicht aufzunehmen!
Dann, ganz plötzlich, schämte sie sich der Gewalt ihrer Reaktion. Sie ging quer durch das Zimmer und besah sich im Spiegel. Nimm dich zusammen, Eleanor! befahl sie sich selbst, du gehörst nicht zu diesen schwächlichen, empfindsamen Geschöpfen, die innerlich so unsicher sind, daß sie bei dem geringfügigsten Anlaß vor Eifersucht zittern und nicht ertragen, daß ihr Mann eine hübsche Frau ansieht. Du vermagst auf dich selber acht zu geben. Kester hat bisher nicht von Isabel gesprochen, weil er es nicht für wichtig hielt. Jetzt, wo sie versucht, eine Wichtigkeit daraus zu machen, wird er es dir sagen. Nur, wenn er einen Nachmittag mit dieser exquisiten Person zugebracht hat und dich dann sieht mit diesem Haar, das aussieht wie ein Rabennest, und mit diesem zerrissenen Rock, dann wird er nicht sehr erfreut sein. Und wird vielleicht nichts sagen.
Eleanor nahm ein Bad und kleidete sich um. Sie flocht sehr sorgfältig ihr Haar; Kester sah sie am liebsten mit einer geflochtenen Krone rund um den Kopf – sie zog ein Kleid aus marineblauem Serge mit einem gestärkten weißen Medicikragen an, der ihren Hals schmeichlerisch umrahmte. Es war dies eines von Kesters Lieblingskleidern, erst im letzten Jahr gekauft, kurz bevor sie entdeckten, daß sie sich dergleichen nicht mehr leisten konnten, und sie trug es in diesem Herbst zum erstenmal. Sie prüfte ihr Bild im Spiegel und lächelte befriedigt. Das Kleid stand ihr zweifellos ausgezeichnet; es brachte ihre Figur gut zur Geltung.
Das erste Feuer dieses Jahres knisterte im Kamin des Wohnzimmers. Nachdem Eleanor sich mit einem Magazin in der Hand niedergelassen hatte, erschien Dilcy und brachte das Kind; es sah reizend aus in den rosa Spielhöschen, mit den dunkelbraunen Locken, die das Köpfchen umspielten. Cornelia spielte hingegeben mit zwei Stoffpuppen. Eleanor sah ihr lächelnd zu.
Dann betrachtete sie eine kartographische Darstellung der Kriegsschauplätze in dem Magazin und war eben dabei, Pforzheim und Przemysl zu suchen, als sie das Hufgetrappel des herankommenden Pferdes vernahm. Einen Augenblick später kam Kester, der niemals ging, wenn er rennen konnte, die Treppe des Haupteinganges heraufgestürmt. Sie hörte, wie er einem Jungen zurief, er möge das Pferd in den Stall bringen; gleich darauf stand er im Zimmer. Eleanor sah von der Karte auf.
»Hallo, Liebling, da bist du!« sagte sie.
Kester lachte sie an und sah dann auf das Kind, das mit seinen Puppen am Fußboden spielte. Cornelia sah auf und sagte, Kester erblickend, klar und deutlich:
»Vader!«
Eleanor sprang auf, aber Kester war schneller; er nahm das Kind mit beiden Armen hoch. Fast gleichzeitig riefen sie:
»Hast du gehört? Sie kann sprechen!«
Kester warf Cornelia in die Höhe, bis fast an die Decke, fing sie wieder und lachte schallend vor Freude, während Cornelia kreischte und krähte, ihren Triumph immer wieder durch den Ausruf »Vader! Vader! Vader!« wiederholend. Offenbar kannte sie die Reaktionen ihrer Eltern schon gut genug, um zu begreifen, daß die soeben von ihr vollbrachte Leistung als das hervorragendste
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