Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
sagte Kester.
»Danke. Ich zweifelte schon ein wenig. Ihre Haltung in der letzten Nacht –; aber ich bin froh; Frauen neigen manchmal dazu, solche Dinge zu übertreiben.«
»Übertreibst du nicht auch?«
»Vielleicht«, sagte Isabel, »kennst du mich nicht?«
»Ich kenne dich in- und auswendig«, sagte Kester.
»Und du lachst über mich?«
»Im Gegenteil: Du tust mir leid. Obwohl die Vorstellung spaßig ist, dich in Tränen ausbrechend vor der Freiheitsstatue zu sehen.«
»Wer sagt dir denn, daß ich vor der Freiheitsstatue in Tränen ausgebrochen bin?«
»Niemand. Aber ich kenne deine Neigung zur Selbstdramatisierung. Du bist ja schon wieder dabei.«
»Wieso?«
»Du spiegelst dich schon wieder und sonnst dich in der Beachtung, die du hier findest.«
»Oh, du tust mir Unrecht«, rief Isabel aus. »Glaube mir nur: Du warst ganz in den Hintergrund getreten und ganz und gar unwichtig geworden. Es ist mir nicht einmal eingefallen, mich zu erkundigen, ob du auf dem Ball in der letzten Nacht sein würdest oder nicht. Ich hatte gehört, daß du verheiratet seiest. Die Mädchen hier haben mir erzählt, was vorgegangen ist. Sie besuchten mich alle, angeblich, um mich willkommen zu heißen, in Wirklichkeit natürlich, um sich zu überzeugen, wie ich aussehe. Aber als ich dich dann plötzlich sah, war ich so selbstbewußt wie ein Schulmädchen.«
Kester lachte amüsiert: »Das habe ich bemerkt.«
»Du hast mich ja kaum angesehen.«
»Sieben Jahre sind eine lange Zeit«, sagte Kester.
»Als ich dann nach Hause ging, mußte ich über etwas nachdenken, was ich bis dahin kaum überlegt hatte. Ich habe die Absicht, den ganzen Winter über hier zu bleiben. Vielleicht sogar, bis der Krieg zu Ende ist. Alles, was ich besitze, liegt in Deutschland fest, und hier in Dalroy habe ich wenigstens das alte Haus. Wenn wir beide nun klug wären, würden wir uns wahrscheinlich meiden. Aber ich glaube, wir können das nicht. Wir könnten es nicht einmal, wenn wir es wollten. Es wird immer wieder vorkommen, daß wir zu den gleichen Leuten eingeladen werden, also werden wir uns immer wieder sehen, es sei denn, daß einer von uns beiden zum Einsiedler wird. Und jetzt möchte ich gern einmal mit dir in Ruhe sprechen, ganz allein, bevor wir uns wieder in irgendeinem fremden Raum vor fremden Menschen begegnen.«
»Hältst du das wirklich für nötig? Ich sagte dir schon: Ich würde es lieber lassen.«
»Du möchtest der Erinnerung lieber aus dem Wege gehen, wie? Ach, ich kenne dich auch, Kester. Aber ich bitte dich: Komm! Es war einmal eine Zeit, da habe ich mich dir gegenüber wie eine Idiotin benommen.«
»Hast du das?«
»Kester, bringst du es wirklich fertig, eine Tür in deiner Erinnerung einfach zuzuschlagen?«
Kester antwortete mit einer leisen, fast gehauchten Stimme; es hörte sich an, als spräche er zwischen zusammengepreßten Lippen unmittelbar in die Muschel hinein; vielleicht war irgend jemand in der Halle, der nicht verstehen sollte, was er sagte: »Isabel, du hast niemals jemand geliebt, außer dem Mädchen, das dich aus dem Spiegel heraus ansah. Versuche nicht, mir etwas anderes einreden zu wollen.«
»Du kannst sehr grausam sein, Kester.«
»Bin ich der einzige Mensch, der dir jemals die Wahrheit sagte?«
»Ja. Vielleicht habe ich dich deswegen geliebt. Aber – die ganze Wahrheit ist das nicht. Doch egal! Laß uns zur Gegenwart zurückkehren. Ich glaube beispielsweise –«
»Ja?«
»Ich glaube – Eleanor – ich mag sie recht gern. Was für eine Art Frau ist sie?«
»Sie ist ohne Zweifel eine großartige Frau. Du würdest sie nicht verstehen.«
»Wer ist sie überhaupt?«
»Sie wohnte in New Orleans. Ihr Name ist Upjohn.«
»Spaßig. Ich habe niemals in New Orleans von Leuten gehört, die Upjohn hießen.«
»Lieber Gott, in einer Stadt solcher Größe müssen auch ein paar Leute wohnen, von denen du noch nichts gehört hast. Isabel, was willst du von mir?«
»Ich hätte gern deinen Rat in verschiedenen Dingen gehabt. Beispielsweise bei einer so komplizierten Frage wie Eleanors Einladung. Sie fragte mich letzte Nacht, ob ich sie nicht einmal in Ardeith besuchen wollte. Soll ich die Einladung nun annehmen, oder soll ich eine höfliche Entschuldigung vorbringen? Und würde sie sich im letzteren Falle nicht unnötig wundern? Eleanor muß sich ja schließlich sagen, daß wir uns früher gekannt haben. Und also wäre es eigentlich ein völlig natürlicher Vorgang, wenn sie mit mir Freundschaft
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