Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
allerlei schreckliche Dinge vorzustellen.«
»Ich dachte, du würdest es mir sagen. Nachdem du es nun bisher nicht tatest – erzähle es mir jetzt. Wie oft hast du sie gesehen, ich meine: allein, und worüber habt ihr gesprochen?«
Er erwiderte, ohne zu zögern: »Ich habe genau drei persönliche Unterredungen mit Isabel gehabt, seitdem sie wieder hier ist. Ich habe dagesessen und zugesehen, wie sie im Zimmer umherlief, und habe zugehört, was sie sagte: daß sie es nicht aushielte hier, daß sie sich wie in einem Gefängnis vorkäme und daß sie nicht wisse, was sie anfangen solle. Und ich lieh ihr meine Schulter, um sich daran auszuweinen.«
»Aber was, um des Himmels willen, ist denn mit ihr los?«
Kester antwortete so, als müsse er einem dummen Zuhörer eine einfache Tatsache auseinandersetzen: »Eleanor, Isabel befindet sich in der Situation eines ausländischen Reisenden, in dem Haus, in dem sie geboren wurde. Sie möchte ihr amerikanisches Bürgerrecht zurückhaben. Sie muß jetzt lernen, mit Geldern auszukommen, die vor einem Jahr nicht ausgereicht hätten, ihre Hausschuhe zu bezahlen. Rund um sie her ist ihr alles fremd geworden; sie versucht verzweifelt, sich in ein geordnetes Leben hineinzufinden, und weiß nicht, wie sie es anfangen soll. Deshalb ist sie entmutigt und unglücklich.«
»Ja denkt sie etwa, sie sei der einzige Mensch, dessen Lebensgewohnheiten durch den Krieg über den Haufen geworfen wurden?« fragte Eleanor verächtlich.
Er lächelte etwas dünn: »Ja, Eleanor, das denkt sie. Das denkt sie wirklich. Du kennst Isabel nicht.«
»Nun, du scheinst sie offensichtlich um so besser zu kennen. Wie magst du nur Zeit daran verschwenden, solch einer Närrin die Flausen aus dem Kopf zu treiben?«
»Ich habe versucht, mich ihr gegenüber wie ein Freund zu verhalten, das ist alles. Anscheinend tat es ihr gut, sich mir gegenüber aussprechen zu können.«
»Das bezweifle ich nicht im geringsten. Wenn die Person Rat braucht, warum nimmt sie sich keinen Rechtsanwalt?«
»Ich habe ihr geraten, sich einen zu nehmen. Sie wird es tun.«
»Ich staune!« sagte Eleanor.
Er sah sie ruhig an: »Was willst du damit sagen?«
Sie antwortete mit einer Gegenfrage: »Kester, hast du sie während der drei Besuche, die du ihr machtest, geküßt?«
»Gewiß habe ich sie geküßt«, antwortete er. »An dem ersten Nachmittag, als sie vor meinen Augen weinend zusammenbrach, habe ich sie geküßt, wie ein Onkel sie geküßt haben würde.«
»Ein Onkel!« sagte Eleanor. »Das denkst du! Und sie möchte, daß du es denkst. Du hast ein paar angenehme und vergnügliche Stunden gehabt, während sie dir weinend erzählte, daß sie ohne deinen Rat nicht zu leben vermöchte. Weiter wird sie dir vorerst nichts sagen. Aber sei sicher, sie wird dich wieder da haben wollen, wo sie dich schon einmal hatte.«
Kester nahm sich eine neue Zigarette. »Eleanor, Isabel ist keine Närrin. Sie weiß, daß ich dich liebe.«
»Oh, aber sie ist schlau«, beharrte Eleanor. »Kester, sage mir, wie lange hat sie dir einmal gehört?«
Er zuckte die Achseln: »Ungefähr drei Monate war ich von ihr betört. Das war vor sieben Jahren. Ich habe keinerlei Illusionen über sie. Aber sie war damals das lieblichste Geschöpf, das ich jemals gesehen hatte.«
»Ich vermute, sie ist es noch«, sagte Eleanor.
Er widersprach nicht; er schwieg.
»Aber siehst du denn nicht, daß sie versucht, dich zurückzugewinnen?« sagte Eleanor. »Du bist ein Mann, der auf Frauen wirkt, heute wahrscheinlich mehr noch als damals, da sie dich zuletzt sah. Oh, Kester, wenn eine Frau einen Mann gehen läßt, tut sie es in der Regel in dem Gefühl, ihn jederzeit wiedergewinnen zu können, wenn sie nur will. Solange diese Frau in Europa herumfuhr und alles bekam, was sie wollte, solange ihr überall die Männer zu Füßen lagen, hat sie nicht an dich gedacht. Aber nun, wo sie hier strandete und dich wiedersah, tat es ihr sicher leid, nicht an dir festgehalten zu haben. Nein, sie wird nicht versuchen, dich von mir zu trennen, um dich rechtmäßig gewinnen zu können, dafür ist sie zu schlau, aber ganz gewiß spielt sie mit dem Gedanken, dich überhaupt zurückzugewinnen. Siehst du das denn nicht?«
Bei ihren letzten Worten begann Kester zu lachen. »Liebling«, sagte er, »du hast mehr Phantasie, als ich jemals geahnt habe.«
»Sie bat dich, nur ein einziges Mal zu ihr zu kommen«, sagte Eleanor hartnäckig, »du bist dreimal bei ihr gewesen.«
Offenbar wurde es
Weitere Kostenlose Bücher