Lourdes
speiste und legte sich zu Bett. Dabei sprach sie nie ein Wort. Sie hatte nur immer ein Lächeln, mit dem sie wohl sagen wollte, daß sie alles sehr gut fand. Sie hat ihre Rechnung bezahlt, ohne sie auch nur anzuschauen. Ach, derartige Gäste, das tut einem leid.«
Sie hatte sich erhoben,: eine kleine, magere, brünette, ganz in Schwarz gekleidete Frau mit schmächtigem platten Hals. Und nun machte sie ihre Angebote.
»Wenn die Herren vor ihrer Abreise einige kleine Andenken an Lourdes mitnehmen wollen, so dürfen Sie uns nicht vergessen. Wir haben nebenan ein Geschäft, in dem Sie eine große Auswahl finden werden. Die Personen, die im Gasthof absteigen, sind so freundlich, die Andenken gewöhnlich nirgendswo anders als bei uns zu kaufen.«
Majesté schüttelte jedoch aufs neue den Kopf mit der Miene eines guten, über die Ärgernisse der Zeit betrübten Christen.
»Gewiß«, sagte er, »möchte ich es nicht an Achtung vor den ehrwürdigen Patres fehlen lassen. Trotzdem muß man wohl sagen, daß sie wahrhaftig allzu gierig sind. Sie haben ohne Zweifel die Bude gesehen, die sie bei der Grotte eingerichtet haben, die immer voll ist, und in der fromme Artikel und Kerzen verkauft werden. Ein Bischof hat erklärt, das sei eine Schande, und man müßte die Verkäufer neuerdings aus dem Tempel jagen. Es wird auch erzählt, die Patres seien stille Gesellschafter des großen, uns in der Straße gegenüberliegenden Geschäftes, das den kleinen Kaufleuten der Stadt ihre Vorräte liefert. Mit einem Wort, wenn man auf die herumgehenden Gerüchte hören wollte, so hätten sie die Hand im ganzen Handel mit religiösen Gegenständen und nähmen im voraus soundso viel Prozent von den Millionen von Rosenkränzen, Statuetten und Medaillen für sich, die in Lourdes jährlich verkauft werden.«
Er hatte die Stimme gedämpft, denn seine Beschuldigungen nahmen einen ganz bestimmten Ausdruck an, und er zitterte schließlich, daß er sich Fremden so anvertraute. Jedoch beruhigte ihn das milde, aufmerksame Gesicht Pierres, und in seiner Leidenschaft als geschädigter Konkurrent fuhr er fort, entschlossen, bis ans Ende zu gehen.
»Ich gebe zu«, sagte er, »daß in all diesen Dingen hier etwas Übertreibung liegt. Dennoch ist es nicht weniger wahr, daß es der Religion zum großen Nachteil gereicht, wenn man die ehrwürdigen Patres Kramladen halten sieht. Ich will doch auch nicht das Geld für ihre Messen mit ihnen teilen, nicht wahr? Ich begehre auch keinen Anteil an all den Geschenken, die sie erhalten. Warum fangen sie dann an, das zu verkaufen, was ich verkaufe? Unser letztes Jahr war ihretwegen sehr mittelmäßig. Wir sind unser schon zu viele, alle Welt in Lourdes treibt Handel mit dem lieben Gott, derart, daß man bald nur noch Brot zu essen und Wasser zu trinken haben wird! Ach, Herr Abbé! Wenn auch die Heilige Jungfrau bei uns ist, es gibt trotzdem Zeiten, da es sehr schlecht geht!«
Ein Kunde störte ihn, aber er erschien in dem Augenblick wieder, da ein junges Mädchen Frau Majesté holte.
Es war ein Mädchen aus Lourdes, sehr hübsch, klein und üppig, mit schönen schwarzen Haaren und einem runden Gesicht voll lachender Fröhlichkeit.
»Unsere Nichte Appoline«, ergriff Majesté wiederum das Wort. »Sie versieht seit zwei Jahren unser Geschäft. Sie ist die Tochter eines armen Bruders meiner Frau und hütete in Ossun auf der Seite von Bartrès die Herden, als wir uns entschlossen, bewogen durch ihre Liebenswürdigkeit, sie hierher zu nehmen. Und wir bereuen es nicht, denn sie hat sich sehr um uns verdient gemacht und ist eine sehr gute Verkäuferin geworden.«
Was er nicht sagte, war, daß über Appoline gewisse Gerüchte im Gange waren. Man hatte gesehen, wie sie des Abends mit jungen Leuten längs des Gave umherstrich. Aber sie war in der Tat köstlich und zog, vielleicht durch ihre großen schwarzen, lachenden Augen, die Kundschaft an. Das Jahr vorher kam Gérard von Peyrelongue gar nicht mehr aus dem Laden heraus, und ohne Zweifel hinderten ihn nur die Heiratsgedanken, die ihm im Kopf herumgingen, am Wiederkommen. Er schien durch den artigen Abbé des Hermoises ersetzt zu sein, der viele Damen herbeibrachte, die ihre Einkäufe hier besorgten.
»Ach! Sie sprechen von Appoline«, sagte Frau Majesté, als sie aus dem Geschäft zurückkam. »Meine Herren! Sie haben eines noch nicht bemerkt: ihre außerordentliche Ähnlichkeit mit Bernadette. Da, hier an der Wand ist eine Photographie von Bernadette, als sie achtzehn
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