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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gerechtigkeit und mit seiner Autorität zu verteidigen. Dann hatte auch der Reiz des Kindes auf ihn eingewirkt, er fand sie so natürlich und wahrhaftig, daß er sich bis zum blinden Glauben an sie einnehmen ließ und sie liebte, wie alle Welt sie liebte. Warum sollte er das Wunder beiseiteschieben, da es sich doch überall in den heiligen Büchern findet? So klug ein Diener der Religion auch sein mochte, stand es ihm doch nicht zu, den starken Geist zu spielen, wenn ganze Völker sich auf die Knie warfen und die Kirche am Vorabend eines neuen und großen Triumphes zu stehen schien – ganz abgesehen davon, daß der Menschenführer, der in ihm steckte, der Aufwühler der Volksmassen endlich seinen Weg, das weite Feld, auf dem er handeln konnte, und die große Aufgabe gefunden hatte, der er sich nun mit ungestümer Begeisterung hingeben sollte.
    Von diesem Augenblick an hatte der Abbé Peyramale nur noch den einen Gedanken, die Befehle auszuführen, mit deren Übermittlung an ihn Bernadette von der Jungfrau beauftragt worden war. Er überwachte die Herstellung und Einrichtung der Grotte: ein Gitter wurde aufgestellt, das Wasser der Quelle kanalisiert und die Erdarbeiten zur Freilegung der Zugänge vollendet. Die Jungfrau hatte aber verlangt, man sollte eine Kapelle bauen. Der Abbé wollte eine Kirche, eine ganze Basilika des Triumphes. Er sah in die Zukunft, drängte die Architekten und verlangte von ihnen Paläste, die der Königin des Himmels würdig wären. Dabei vertraute er auf die Begeisterung und die Unterstützung der gesamten Christenheit. Übrigens kamen die Geschenke in Massen an, es regnete Gold aus den entferntesten Bistümern, und dieser Goldregen sollte zunehmen und nicht mehr aufhören. Das waren damals seine glücklichen Jahre. Man begegnete ihm zu jeder Stunde unter den Arbeitern, die er als braver Mann, der gern lachte, anfeuerte, indem er stets auf dem Sprung stand, selber die Spitzhacke und die Maurerkelle zur Hand zu nehmen, so eilig hatte er es, seinen Traum zu verwirklichen. Aber es kamen bald Zeiten der Prüfung. Er wurde krank, und als am 4. April 1864 die erste Prozession von seiner Pfarrkirche auszog, um sich nach der Grotte zu begeben, eine Prozession von sechzigtausend Pilgern, die sich inmitten eines ungeheuren Zulaufs der Menge entrollte, da stand er in großer Todesgefahr.
    Am Tage, da der Abbé Peyramale das erstemal, vom Tode errettet, vom Bett aufstand, war er abgesetzt. Der Bischof, Monsignore Laurence, hatte ihm, um ihn in seiner schweren Aufgabe zu vertreten, bereits einen seiner früheren Sekretäre als Gehilfen beigegeben, den Pater Sempé, den er zum Vorsteher der Missionare von Garaison, einem von ihm gegründeten Hause, gemacht hatte. Dieser Pater Sempé war ein kleiner, magerer und verschmitzter Mann, scheinbar uneigennützig und sehr demütig, im Grunde aber von Ehrgeiz in jeder Beziehung verzehrt. Anfangs hielt er sich an den ihm gebührenden Rang, indem er dem Kurat von Lourdes als treuer Untergebener diente, sich mit allem beschäftigte, was diesen unterstützen konnte, und von allem Kenntnis und Einsicht nahm, da er sehnlich wünschte, sich unentbehrlich zu machen. Dadurch mußte er unbedingt zur Einsicht kommen, zu welchem reichen Pachtgut die Grotte mit ein wenig Geschicklichkeit werden, welches riesige Einkommen man aus ihr beziehen könnte. Er verließ den bischöflichen Palast nicht mehr. Er hatte sich des Bischofs bemächtigt, der ein sehr schwacher, aber sehr praktischer Mann war und großer Almosen bedurfte. Und so gelang es ihm, als der Abbé Peyramale krank geworden war, das ganze Grundgebiet der Grotte endgültig von der Pfarrei Lourdes abtrennen zu lassen. Er wurde beauftragt, die Grotte an der Spitze einiger Patres von der Unbefleckten Empfängnis zu verwalten, zu deren Oberen ihn der Bischof ernannte.
    Und nun begann der Kampf, einer jener lautlosen, erbitterten, tödlichen Kämpfe, wie sie oft unter der kirchlichen Zucht vorkommen. Eine Ursache zum Bruch war vorhanden, ebenso ein Schlachtfeld, auf dem man sich bald schlagen sollte, jedoch mit Geld, mit Millionen: der Bau einer neuen Pfarrkirche, größer und würdiger als die vorhandene Kirche, deren Unzulänglichkeit seit dem Zusammenströmen der Gläubigen anerkannt war, wurde unternommen. Das war übrigens eine alte Idee des Abbé Peyramale, der die Befehle der Jungfrau genau ausführen wollte. Sie hatte, von der Grotte sprechend, gesagt: »Man soll in Prozession hierherkommen.« Nun hatte er stets

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