Love and Disaster
die Nerven gehe, aber ich würde Sie gern zum Essen einladen. Haben Sie morgen Abend schon etwas vor?“
Ich hatte plötzlich einen mittelgroßen Frosch im Hals und musste mich räuspern.
Abendessen mit ihm? War das eine Einladung zu einem Date? Hatte ich vorhin auf irgendeine Art und Weise Interesse an ihm bekundet?
‚Hör auf zu denken Caro, sag einfach ja … Du bist seit Ewigkeiten nicht mehr ausgeführt worden und er ist ein Bild von einem Mann‘, ich sprang über meinen Schatten und nickte zustimmend.
„Morgen Abend würde passen.“
Ich sah, wie die Anspannung von ihm abfiel. Er war nervös, kaum zu glauben.
„Sehr schön, dann hole ich Sie gegen acht Uhr ab?“
„Das geht in Ordnung.“
Er reichte mir die Hand, verabschiedete sich noch einmal und ging.
„… das geht in Ordnung … Himmelherrgott Caro, was Besseres ist dir nicht eingefallen?“
Leise schimpfte ich mit mir selbst. Wenn ich allein war, neigte ich leider zu Selbstgesprächen. In Zukunftsvisionen sah ich mich als alte Tatteromi, die laut vor sich hinredend durch die Stadt läuft.
Ich musste unbedingt Mary von Dresens wundersamer Wandlung zum Schäfchen erzählen und rief sie an. Sie konnte sich natürlich ihre üblichen spitzen Bemerkungen nicht verkneifen.
„Er hat doch nur Angst, schlecht dazustehen“, sagte sie. „Wenn sich herumspricht, wie er dich in aller Öffentlichkeit abgekanzelt hat, ist sein guter Ruf futsch. Er will dich einfach ruhig stellen.“
„So kam mir das aber nicht vor. Im Gegenteil, er erschien mir eben sehr sympathisch.“
Mary brummte etwas Unverständliches durch die Leitung und ich sah förmlich, wie sich ihr Gesicht verzog. Ich redete weiter.
„Erst war es eigenartig, als er einfach so vor der Tür stand, aber dann fand ich doch nett, dass er persönlich vorbeigekommen ist um sich zu entschuldigen. Das hätte er schließlich nicht tun müssen, ein Anruf hätte auch ausgereicht.“
„Ach Caro“, Mary klang extrem genervt. „Du siehst wie immer nur das Gute im Menschen. Ich kenne Dresen, ich weiß, wozu er fähig ist.“
„Ich will ihn doch überhaupt nicht in Schutz nehmen, aber hast du mal daran gedacht, dass er bei euch einfach nur seinen Job gemacht hat? Er hat die Interessen seines Mandanten vertreten, so wie das jeder andere Anwalt auch getan hätte.“
Am anderen Ende der Leitung herrschte eisiges Schweigen und ich versank in einem mindestens drei Meter tiefen Fettnäpfchen. Da hatte ich was gesagt, das wollte Mary garantiert nicht hören.
„Bitte Mary, sieh die Sache nicht so verbissen“, ich wiegelte ab. „Das alles ist schon so lange her, er erinnert sich sicher gar nicht mehr richtig daran. Wenn ich morgen Abend mit ihm essen gehe ...“
„WAAAAAAAAS?“ Sie schrie so laut in den Hörer, dass ihre Stimme kippte und ich vor Schreck still war. „Sag, dass das nicht wahr ist! Du wirst ganz bestimmt nicht mit ihm essen gehen!“
Mary und hysterisch? Das war ja mal was ganz Neues. Mir reichte es jetzt, ich legte meinen besten Lehrerinnen- Ton auf und sagte leise, aber bestimmt:
„Ich werde morgen mit ihm essen gehen, ich werde einen netten Abend mit ihm verbringen und ich werde mich amüsieren. Seit Monaten liegst du mir in den Ohren, genau das zu tun.“
„Aber doch bitte, bitte nicht mit Robert Dresen.“
Sie hatte tatsächlich bitte gesagt! Meine Schwester bat mich selten um etwas. Meistens sagte sie, mach mal das und das, kannst du nicht mal dies und jenes, aber bitte? Und Mary flehte jetzt gerade regelrecht.
„Er ist genau der egoistische Selbstdarsteller, auf den du immer wieder hereinfällst. Bitte tu dir das nicht wieder an.“
„Ich tue mir gar nichts an, ich möchte einfach nur nett essen und mich einen Abend lang gut unterhalten und ich denke, dass er dafür genau richtig ist“.
„Aber dabei wird es nicht bleiben, das weiß ich doch.“
„Und woher weißt du das? Kennst du ihn so gut? Du kennst mich und du weißt, dass ich ihm garantiert nicht seufzend in die Arme sinken werde.“
„Wenn du dich mit ihm triffst, sind wir geschiedene Leute“, Marys Stimme klang kompromisslos. „Ich werde nicht zusehen, wie du wiedermal dein Leben für den falschen Mann wegwirfst.“
Es klickte in der Leitung und ich schaute entgeistert auf den stummen Telefonhörer. Mary hatte einfach aufgelegt. Ich konnte mich nicht erinnern, dass meine Schwester jemals so mit mir geredet hatte. Natürlich gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen uns, und zwar nicht zu knapp, aber so hart und unversöhnlich
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