Love and Disaster
„Darf ich reinkommen?“
„Caro, endlich“, sagte er und stand auf. „Ich hatte Angst, du kommst vielleicht doch nicht.“
Er umarmte mich und küsste mich auf die Wangen.
„Wäre ich auch fast nicht“, entgegnete ich lächelnd. „Deine Wachhunde wollten mich nicht durchlassen. Ich habe ja nicht mal ansatzweise geahnt, was hier los ist.“
Jan sah mich verständnislos an.
„Aber du stehst doch auf der Liste“, sagte er.
„Nein, stand ich wohl nicht, jedenfalls wurde mir das so gesagt. War sicher nur ein Versehen.“
„Eher Anja“, antwortete Jan verstimmt. „Sie verträgt es nicht, wenn sie ihren Kopf nicht durchsetzen kann.“
„Vergiss es einfach“, sagte ich. „Harro hat mich hereingeholt. Aber wenn ich ehrlich bin, würde ich am liebsten gleich wieder gehen.“
„Lampenfieber?“
„Jan, wer bist du nur?“, fragte ich und zeigte auf die Tür. „Diese ganzen Leute da draußen, ich weiß nicht, ob ich das nachher hinkriege.“
„Natürlich kriegst du das hin. Und du wirst die da draußen auch kriegen. Bei mir hast du es jedenfalls schon geschafft.“
Er wies auf das Sofa und ich sah, dass er in meinem Buch gelesen hatte.
„Ich habe es mir gleich heute Morgen geholt“, sagte er. „Ich war einfach neugierig.“
„Und …?“
„Du wirst sie kriegen“, wiederholte er. „Auf jeden Fall. Du solltest unbedingt ab hier lesen.“
Er legte das Buch auf Harros Schreibtisch, schlug es auf und zeigte mir genau die Stelle, die ich auch ausgewählt hatte. Ich legte mein eigenes, mit Klebezetteln und Markierungen gespicktes Exemplar daneben und schlug dieselbe Stelle auf.
„Genau ab da lese ich normalerweise“, sagte ich und lächelte. „Wieso bist du eigentlich nicht da draußen?“
„Anja macht das schon, sie braucht mich nicht. Ich fühle mich nicht besonders wohl in großen Menschenmengen. Das ist einer der Vorteile, wenn man berühmt ist, man kann sich exzentrisch geben, obwohl man es nicht ist …“, er lächelte unsicher. „Ich hoffe, ich bin es nicht …“
„Woher soll ich das wissen?“, antwortete ich mit ernster Miene. „Mich darfst du danach wirklich nicht fragen. Vielleicht gehst du ja im Pyjama einkaufen oder trägst pinkfarbene Damenunterwäsche?“
„Vielleicht möchtest du ja mal nachsehen?“, fragte Jan augenzwinkernd.
Die Bürotür ging auf und Anja Sonnenfeld fand uns lachend, die Köpfe in schönster Eintracht über den Büchern zusammengesteckt, vor.
„Oh wie nett“, sagte sie spitz. „Wenn deine kleine Freundin schon mal da ist, kann sie auch anfangen. Sie hat fünfzehn Minuten.“
„Meine kleine Freundin hat so viel Zeit, wie sie möchte“, sagte Jan, ohne den Kopf zu heben. Er sprach sehr ruhig, aber sein Unterton hätte in mir sämtliche Alarmglocken läuten lassen.
„Sie wird in Ruhe lesen und fertig sein, wenn sie es für richtig hält. Und du wirst dich zurücknehmen Anja, sonst breche ich die Geschichte da draußen ab und werfe alle eigenhändig raus. Du hast mich verstanden?“
Sie antwortete mit einem polnischen Wortschwall, dann rauschte sie ab und schlug die Tür hinter sich zu.
Jan legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Es tut mir leid, Caro, vielleicht sollte ich mich schon einmal vorsorglich für alles, was heute noch kommen könnte, entschuldigen.“
„Lass gut sei, Jan. Nimm es mir nicht übel, aber mir ist grad vollkommen egal, was deine Frau von mir hält. Lass mich das jetzt einfach hinter mich bringen, ehe ich vor Aufregung noch ganz durchdrehe.“
Jan strich mir eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht, beugte sich herab und küsste mich auf die Lippen.
„Zeig’s ihnen“, flüsterte er.
Er nahm meinen Arm und führte mich hinaus zu einem Stehpult auf einem Podest. Simon stülpte mir ein Headset mit Mikro über und stellte ein Glas Wasser bereit.
Jan erklomm das Podest und bat um Ruhe. Er kündigte mich als eine der besten Erzählerinnen an, die er jemals gelesen habe und dass mein Buch ihn dazu gebracht hätte, die Hälfte seiner eigenen Vernissage zu verpassen, weil er sich einfach nicht davon habe losreißen können.
Das Publikum lachte, es wusste, was von ihm erwartet wurde, dann applaudierte es artig, als ich mich in Position stellte.
Ich begann zu lesen und sprach tapfer gegen das Gemurmel im Raum an. Höflich waren sie wirklich nicht, die VIP’s. Nach ein paar Minuten aber wurde es ruhiger und irgendwann hatte ich sie in meinen Bann gezogen.
Die halbe Stunde, die ich ursprünglich eingeplant hatte, verging wie im Flug
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