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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Zuckerguss mit dem Fin gernagel heraus und steckte es in den Mund. Es war fast geschmacksneutral, schmeckte nur andeutungsweise süß und nach einem Hauch Pfefferminz. Sie hatten in der New-man Chapel der University of Maine geheiratet, allerdings nicht kirchlich. Alle ihre Schwestern waren gekommen, sogar Jodi. Lincoln, Dad Debushers noch lebender Bruder, war aus Sabbatus heraufgekommen, um als Brautführer zu fungieren. Scotts Freunde von der Pitt und der UMO waren da gewesen, und sein Literaturagent hatte die Rolle seines Trauzeugen übernommen. Natürlich niemand aus seiner Familie; Scott hatte keine Angehörigen mehr.
    Unter dem versteinerten Stück Torte lagen zwei Einladungen zur Hochzeit. Scott und Lisey hatten sie mit der Hand geschrieben, und sie hatte eine von seinen und er eine von ihren aufgehoben. Darunter lag ein Souvenir-Zündholzbrief chen. Sie hatten überlegt, sowohl die Einladungen als auch die Zündholzbriefchen drucken zu lassen: Das hätten sie sich ver mutlich leisten können, obwohl die Taschenbuchausgabe von Empty Devils noch kein Geld brachte, aber letztlich waren sie zu der Meinung gelangt, dass handgeschrieben persönlicher war (von origineller ganz zu schweigen). Sie wusste noch gut, wie sie im IGA in Cleaves Mills eine Schachtel mit fünfzig unbedruckten Zündholzbriefchen gekauft und mit einem fein schreibenden roten Kugelschreiber beschriftet hatte. Dieses Streichholzbriefchen in ihrer Hand war vermutlich das letzte Exemplar seiner Gattung, und sie betrachtete es mit der Neu gier einer Archäologin und der Wehmut einer Liebenden.
    Scott und Lisa Landon 19. November 1979 »Jetzt sind wir zwei.«
    Lisey fühlte Tränen in ihren Augen brennen. Jetzt sind wir zwei war Scotts Idee gewesen; er hatte ihr erklärt, dass der Spruch an den Titel einer Pu-der-Bär-Geschichte angelehnt war. Sie hatte gewusst, an welche – wie oft hatte sie Jodotha oder Amanda zugesetzt, bis sie ihr von Pu vorgelesen hat ten? –, und Jetzt sind wir zwei absolut brillant, geradezu per fekt gefunden. Sie hatte ihn dafür geküsst. Jetzt konnte sie es kaum ertragen, das Zündholzbriefchen mit seinem närrisch tapferen Motto zu betrachten. Dies war das andere Ende des Regenbogens, jetzt war sie wieder eins, und was für eine däm liche Zahl das war. Sie steckte das Zündholzbriefchen in die Brusttasche ihrer Bluse, dann wischte sie sich Tränen von den Wangen – ein paar waren doch übergelaufen. Nachforschun gen in der Vergangenheit waren anscheinend eine feuchte Angelegenheit.
    Was geschieht mit mir?
    Für eine Antwort auf diese Frage hätte sie den Preis ihres teuren BMW in bar und noch mehr gegeben. Sie hatte sich doch so gut arrangiert! Hatte um ihn getrauert und trotzdem weitergelebt; hatte ihre Trauerkleidung abgelegt und weiter gelebt. Fast vierundzwanzig Monate lang hatte sich anschei nend der alte Song bewahrheitet: »I Get Along Without You Very Well«. Dann hatte sie sich darangemacht, sein Büro aus zuräumen, und das hatte seinen Geist geweckt, nicht in ir gendeiner ätherischen spirituellen Welt, sondern in ihr . Sie wusste sogar, wann und wo es begonnen hatte: am Ende des ersten Tages in der nicht ganz rechtwinkligen Ecke, die Scott gern als seine Sammlerecke bezeichnet hatte. Dort hingen auch seine Literaturpreise unter Glas an der Wand: sein National Book Award für The Coaster's Daughter, sein Pulitzerpreis, sein World Fantasy Award für Empty Devils. Und was war passiert?
    »Ich hab durchgedreht«, sagte Lisey mit schwacher, ängst licher Stimme und drückte die Alufolie wieder über dem ver steinerten Stück Hochzeitstorte an.
    Es gab kein anderes Wort dafür. Sie hatte durchgedreht. Ihre Erinnerung daran war nicht besonders klar; eigentlich wusste sie nur, dass alles angefangen hatte, weil sie durstig gewesen war. Sie hatte sich in der dämlichen Barnische ein Glas Wasser holen wollen – dämlich, weil Scott dem Alkohol längst abgeschworen hatte, obwohl seine Alkoholabenteuer einige Jahre länger gedauert hatten als seine Liebesaffäre mit dem Nikotin –, aber dort war kein Wasser, sondern nur das Gluckern und Zischen leerer Leitungen gekommen. Sie hätte auf das Wasser warten können, irgendwann wäre es gekommen, doch stattdessen hatte sie den Hahn wieder zugedreht und war zur Tür zwischen Barnische und sogenannter Samm lerecke zurückgegangen, und die Deckenbeleuchtung war eingeschaltet. Die schaltete sich durch eine Fotozelle ge steuert selbstständig ein und brannte nur schwach. Das

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