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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dass sein Hintern fast die leicht erhöhten Stiefelabsätze berührte, und schlang einen Arm um seine Knie. Er hätte ein Farmer sein können, der einer Kuh zusah, die nördlich des Vierzigsten aus einem Bach trank. Lisey vermutete, dass er in Alarmbereitschaft war, aber nicht in höchster Alarmbereitschaft. Er rechnete nicht damit, dass sie das klobige Kristallglas werfen würde, und damit hat te er natürlich recht. Lisey war nicht nach gebrochenen Knö cheln zumute.
    Dabei hatte ich noch nicht mal diese entscheidende erste Trainerstunde auf den Rollerblades, dachte sie, und Dienstag abend ist immer Singlenight im Oxford Skate Central.
    Als ihr Durst gelöscht war, hielt sie ihm das Glas hin. Dooley nahm es entgegen, sah hinein. »Wissen Sie bestimmt, dass Sie disse – diese – beiden letzten Schlucke nicht mehr wollen, Missus?« Das hatte nicht mal entfernt wie Schlugge geklungen, und Lisey hatte plötzlich eine eigene »Tuition«: Dooley übertrieb diese Good-old-boy-Masche. Vielleicht mit Absicht, vielleicht auch unbewusst. Aber spielte das eine Rolle? Vermutlich nicht.
    »Ich habe genug.«
    Dooley trank die beiden letzten Schlucke selbst, wobei sie den Adamsapfel in seinem dünnen Hals auf und ab hüpfen sah. Dann fragte er, ob sie sich besser fühlte.
    »Das werde ich, sobald Sie fort sind.«
    »Kann ich mir denken. Ich werde Sie nicht lange aufhal ten.« Er steckte die Pistole wieder in seinen Hosenbund und richtete sich auf. Seine Knie knackten, und Lisey dachte wie der (in Wirklichkeit staunte sie): Dies ist kein Traum. Dies alles passiert mir tatsächlich. Er versetzte dem Glas einen geistesabwesenden Tritt, sodass es über den cremeweißen Teppichboden rollte, mit dem das Büro ausgelegt war. Dooley zog sich die Hose hoch. »Allzu lange darf ich sowieso nicht bleiben, Missus. Ihr Cop kommt irgendwann wieder, er oder sonst wer, und wenn ich's richtig mitgekriegt hab, haben Sie gerade auch mit Schwesternproblemen zu kämpfen, hab ich recht?«
    Lisey gab keine Antwort.
    Dooley zuckte mit den Schultern, was vermutlich Wie Sie wollen bedeutete, und lehnte sich dann aus der Barnische. Für Lisey war das ein surrealer Anblick, denn in genau dieser Hal tung hatte sie Scott schon oft gesehen: mit je einer Hand an den Seiten des türlosen Durchgangs, die Füße auf dem nack ten Parkett der Nische, Kopf und Rumpf ins Büro hinaus gestreckt. Aber Scott hätte um keinen Preis der Welt Kakis getragen; er war bis zuletzt ein Jeansmann gewesen. Und er hatte keine kahle Stelle am Hinterkopf gehabt. Mein Mann ist mit vollem Haar gestorben, dachte sie.
    »Verdammt nett hier«, sagte er. »Was war das früher? Der Heuboden? Muss wohl so gewesen sein.«
    Sie gab keine Antwort.
    Dooley lehnte sich weiter hinaus, wippte leicht vor und zurück, sah erst nach links, dann nach rechts. Herr über alles, worauf sein Blick fällt, dachte sie.
    »Wirklich verdammt nett«, sagte er. »Ziemlich genau, was ich erwartet hätte. Man hat seine drei Zimmer – was ich Zimmer nennen würd – und seine drei Dachfenster, sodass es reichlich Tageslicht gibt. Bei uns daheim heißen Häuser mit hintereinanderliegenden Räumen Schrotflintenhäuser, manchmal Schrotflintenhütten, obwohl das hier nichts Hüttenartiges an sich hat, stimmt's?«
    Lisey sagte nichts.
    Er wandte sich ihr mit ernster Miene zu. »Nicht dass ich ihm neidig wär, Missus – oder Ihnen, nachdem er jetzt tot ist. Ich hab einige Zeit im Brushy Mountain State Prison geses sen. Vielleicht hat der Prof Ihnen das erzählt. Und es war Ihr Ehmann, der mir über das Schlimmste weggeholfen hat. Ich hab alle seine Bücher gelesen, und wissen Sie, welches mir am besten gefallen hat?«
    Klar, dachte Lisey. Empty Devils. Wahrscheinlich hast du's neunmal gelesen.
    Aber Dooley überraschte sie. »The Coaster's Daughter . Und es hat mir nicht nur gefallen, Missus, ich hab's geliebt . Seit ich dieses Buch aus der Gefängnisbibliothek kenn, hab ich's mir angewöhnt, es alle zwei bis drei Jahre zu lesen. Ich könnte Ihnen seitenweise daraus zitieren. Wissen Sie, welcher Teil mir am besten gefällt? Wo Gene sich endlich auf die Hinter beine stellt und seinem Vater erklärt, dass er abhaut, ob's dem Alten passt oder nicht. Wissen Sie, was er diesem elenden frommen alten Scheißer erklärt, 'tschuldigen Sie meine Aus drucksweise?«
    Dass er die Pflicht der Liebe nie verstanden hat, dachte Lisey, aber sie sagte immer noch nichts. Dooley schien das nicht zu stören; er war jetzt in Fahrt, erwärmte

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