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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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waren.
    Nach dem zweiten Versuch habe ich Daddy erklärt, dass ich nun wüsste, was nicht in Ordnung war. Ich hab es nicht geschafft – konnte ihn nicht mitnehmen –, weil er immer be täubt war, wenn ich in seine Nähe kam. Und Daddy hat gefragt: ›Also, was hast du vor, Scooter, willst du zu ihm, wenn er wach ist und tobt? Dann reißt er dir deinen beschissenen Kopf ab.‹ Das wusste ich natürlich auch. Ich wusste sogar mehr, Lisey: Ich wusste, dass er mir den Kopf drüben in Boo'ya-Mond abreißen würde, wenn er es hier im Keller nicht schaffte. Also hab ich Daddy gefragt, ob er ihn bloß ein bisschen betäuben könnte – nur benommen machen, weißt du. Damit ich zu Paul konnte, ihn in den Armen halten, wie ich heute dich unter dem Lecker-Baum umarmt habe.«
    »O Scott«, sagt sie. Sie hat Angst um den Zehnjährigen, ob wohl sie weiß, dass er heil davongekommen sein muss, um zu dem jungen Mann heranwachsen zu können, der jetzt neben ihr liegt.
    »Daddy hat gesagt, das wäre gefährlich. ›Da spielst du mit dem Feuer, Scoot‹, hat er gesagt. Das wusste ich, aber es gab keine andere Möglichkeit. Lange konnten wir ihn nicht mehr im Keller lassen; das war sogar mir klar. Und dann hat Daddy … er hat mir die Haare zerzaust und gefragt: ›He, was ist aus dem Hosenscheißer gewordn, der nicht mal vom Die lentisch springn konnt?‹ Mich hat überrascht, dass er das noch wusste, weil er damals so bösmüllig gewesen war, und ich war stolz.«
    Lisey denkt, was für ein trostloses Leben das gewesen sein muss, wenn ein Kind stolz darauf war, einem solchen Mann zu gefallen, und erinnert sich dann, dass er damals erst zehn war. Erst zehn und die meiste Zeit mit einem Ungeheuer im Keller allein. Auch der Vater war ein Monster, das aber zu mindest manchmal vernünftig war. Ein Ungeheuer, das ihn gelegentlich auf den Nacken küsste.
    »Dann …« Scott sieht ins Halbdunkel auf. Für einen Augenblick kommt der Mond zwischen den Wolken hervor. Sein blasser Schein huscht spielerisch über Scotts Gesicht, bevor die Wolken sich erneut schließen. Als er weiterspricht, nimmt seine Stimme wieder einen fast kindlichen Klang an. »Daddy … weißt du, Daddy, hat nie gefragt, was ich seh oder wohin ich geh oder was ich dort tu. Und ich glaub nicht, dass er Paul mal gefragt hat – ich weiß nicht mal, ob Paul sich an viel erinnert hat –, aber dann hat er's beinah getan. Er hat gesagt: ›Und wenn du ihn so mitnimmst, Scott. Was passiert, wenn er aufwacht? Ist er dann plötzlich geheilt? Wenn er's nämlich nicht ist, bin ich nicht da, um dich zu beschützn.‹
    Aber ich hatte darüber nachgedacht, verstehst du? Hatte an nichts anderes mehr gedacht, bis mir der Kopf geraucht hat.« Scott stützt sich auf einen Ellbogen, sieht sie an. »Dass Schluss sein musste, wusste ich so gut wie Daddy, vielleicht sogar besser. Wegen des Pfeilers. Und wegen des Tisches. Aber auch weil er schrecklich abgemagert war und Geschwü re im Gesicht hatte, weil er nicht richtig gegessen hat – wir haben ihm Gemüse gegeben, aber außer Kartoffeln und Zwie beln hat er alles weggeschleudert –, und das eine Auge, an dem Daddy ihn verletzt hatte, war nicht mehr nur gerötet, sondern auch milchig weiß. Außerdem sind ihm die Zähne ausgefallen, und sein linker Ellbogen war ganz schief. Er ist auseinandergefallen, weil er dort unten war, Lisey, und was nicht wegen Lichtmangel und falscher Ernährung zerfallen ist, hat er selbst zugrunde gerichtet. Verstehst du?«
    Sie nickt.
    »Also hab ich Daddy von meiner kleinen Idee erzählt. Er hat gesagt: ›Du hältst dich für verdammt schlau für 'nen Zehnjährign, was?‹ Und ich hab ihm versichert, dass ich das keineswegs tue und ihm dankbar wäre, wenn er einen anderen Weg wüsste, der sicherer wäre. Aber er wusste auch kei nen. Er hat gesagt: ›Ich halt dich für verdammt schlau für 'nen Zehnjährign, das kannst du mir glaubm. Du hast also doch Mumm. Außer du machst 'n Rückzieher.‹«
    »Ich mache keinen«, habe ich gesagt.
    »Und er hat gesagt: ›Das musst du auch nicht, Scooter, weil ich mit meiner gottverdammtn Hirschbüchse hinter dir am Fuß der Treppe stehn werd.‹«
    2O Daddy am Fuß der Kellertreppe, in seinen Händen das Jagdgewehr, sein 0.30-.06. Scott steht neben ihm, starrt das zwischen Pfeiler und Druckertisch angekettete Etwas an und bemüht sich, nicht zu zittern. In seiner rechten Hosentasche steckt das schlanke Gerät, das Daddy ihm gegeben hat: eine Injektionsspritze mit einer

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