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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kunststoffkappe auf der Nadel. Die Spritze ist ebenfalls aus Kunststoff, aber Scott weiß auch ohne Daddys Erklärung, dass sie trotzdem empfindlich ist. Kommt es zum Kampf, kann sie zerbrechen. Daddy hat ihm angeboten, sie in eine kleine weiße Pappschachtel zu stecken, in der mal ein Füller gewesen ist, aber sie dort rauszuho len würde einige Sekunden dauern – mindestens –, und das könnte den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen, falls es Scott gelingt, dieses Wesen nach Boo'ya-Mond mit zunehmen. Dort wird's keinen Daddy mit einer Hirschbüchse Kaliber .30-.06 geben. In Boo'ya-Mond wird's nur ihn und dieses Ding geben, das in Pauls Körper geschlüpft ist wie eine Hand in einen gestohlenen Handschuh. Nur sie beide auf dem Sweetheart Hill.
    Das Wesen, das einmal sein Bruder war, lehnt halb liegend und mit gespreizten Beinen an dem Stahlpfeiler. Es ist bis auf Pauls altes Unterhemd nackt. Seine Füße und Beine sind ver dreckt, seine Flanken bedeckt mit angetrockneter Scheiße. Die Kuchenplatte, von der sogar das Fett abgeleckt ist, liegt neben einer schmutzigen Hand. Den übergroßen Hamburger, der auf ihr gelegen hat, hat das Paul-Ding in Sekundenschnelle verschlungen, aber Andrew Landon hat sich fast eine halbe Stunde lang mit der Zubereitung abgemüht und die erste Portion in den Müll geworfen, weil er meinte, er hätte zu viel von »dem Zeug« erwischt. »Das Zeug« sind weiße Tabletten, die nicht viel anders als die Tabletten aussehen, die Daddy manchmal gegen Sodbrennen nimmt. Als Scott einmal wis sen wollte, woher es stammt, hat Daddy gesagt: Halt deine neugierige Klappe, Schnüffler, sonst setzt's was, und wenn Daddy so was sagt, hört man lieber drauf, wenn man einen Funken Vernunft besitzt. Daddy hat die Tabletten mit dem Boden eines Wasserglases zermahlen. Dabei hat er geredet – vielleicht mit sich selbst, vielleicht mit Scott, während unter ihnen das an die Druckerpresse gekettete Ungeheuer eintönig nach seiner Abendmahlzeit brüllte. Einfach auszurechnen, wenn er nur bewusstlos wern soll, sagte Daddy, indem er von dem weißen Pulver zu dem Hackfleisch hinübersah. Noch ein facher, wenn der lästige Drecksack nicht mehr aufwachn soll, was? Aber nein, das will ich nicht, ich will ihm bloß 'ne Chance gebn, den Einzigen umzulegn, der noch richtig im Kopf ist, umso dämlicher von mir. Aber scheiß drauf, Gott hasst Feiglinge. Er gebrauchte die Außenseite seines kleinen Fingers erstaunlich behutsam, um eine kleine Portion des weißen Pulvers von dem Häufchen abzutrennen; dann nahm er sie zwischen Daumen und Zeigefinger, streute sie wie eine Prise Salz übers Hackfleisch, knetete sie ein, nahm noch eine winzige Prise und knetete sie ebenfalls ein. Was die Ernäh rung des Kellerwesens betraf, gab er sich keine große Mühe mit Hottküsin, wie er sie nannte, weil er wusste, dass es sein Essen am liebsten roh verschlungen hätte – genauer gesagt noch warm und am Knochen zitternd.
    Jetzt steht Scott mit der Spritze in der Tasche neben seinem Daddy und beobachtet, wie das gefährliche Ding halb liegend an den Stützpfeiler gelehnt mit hochgezogener Oberlippe schnarcht. Es sabbert aus beiden Mundwinkeln. Seine Augen sind halb geöffnet, ohne dass man die Pupillen sieht; Scott kann lediglich das glatte, glänzende Weiß der Augäpfel er kennen … Nur ist es nicht mehr weiß, denkt er.
    Geh schon, verdammter Kerl!, sagt Daddy und schlägt ihm auf die Schulter. Mach hin, bevor ich die Nerven verlier oder mit 'nem Herzschlag zusammenklapp … oder glaubst du, dass er simmoliert? Dass er bloß so tut, als wär er weg?
    Scott schüttelt den Kopf. Das Ding versucht nicht, sie zu täuschen, das würde er fühlen – und dann betrachtet er sei nen Vater verwundert.
    Was?, fragt Daddy irritiert . Was hast du schon wieder für Flausen im Kopf?
    Hast du wirklich …?
    Ob ich wirklich Angst hab? Willst du das wissen?
    Scott nickt, ist plötzlich eingeschüchtert.
    Ja, verdammt, ich hab vor Angst die Hosen voll. Hast du gedacht, du bist der Einzige? Mach jetzt den Mund zu und halt dich ran, wenn du's tun willst. Damit wir's hinter uns haben.
    Scott wird nie begreifen, weshalb die eingestandene Angst seines Vaters ihn tapferer macht; er weiß nur, dass sie es tut. Er geht auf den Stützpfeiler zu. Unterwegs berührt er nochmals den Zylinder der Injektionsspritze in seiner Tasche. Er erreicht den äußeren Bogen aus Scheißhaufen und steigt darüber hinweg. Mit dem nächsten Schritt überwindet er den

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