Love
Kellerdecke geboxt, bis seine Knöchel geblutet haben. Vielleicht wollte er sie durchbrechen, vielleicht wollte er sich aber auch einfach nur austoben. Manchmal hat er sich auch in den Dreck gelegt und masturbiert.
Aber manchmal war er nur zehn bis fünfzehn Minuten aktiv und hat dann aufgehört. Das müssen die Tage gewesen sein, an denen Daddy ihm etwas ins Essen gemischt hat. Er hat sich hingehockt und irgendwas gemurmelt; dann ist er auf die Seite gekippt, hat die Hände zwischen die Beine gelegt und ist eingeschlafen. Beim ersten Mal hat Daddy ihm die beiden Ledergurte angelegt, die er hergestellt hatte, nur müsste man den um Pauls Hals wohl eher ein Würgehalsband nennen, hab ich recht? Die Gurte waren hinten mit großen, schweren Metallschnallen verschlossen. Er hat sie durch die Ketten gezogen – den Bauchgurt durch die Traktorkette, das Würgehalsband durch die leichte Kette. Dann hat er mit einem kleinen Elektroschweißgerät die Schnallen zugeschweißt. Und so ist Paul angekettet worden. Als er aufgewacht ist, war er fuchsteufelswild darüber und hat sich aufgeführt, als wollte er das Haus zum Einsturz bringen. Wir haben oben an der Kellertreppe gestanden und ihn beobachtet, und ich hab Daddy angebettelt, ihn wieder loszumachen, bevor er sich den Hals bricht oder sich selbst erwürgt, aber Daddy, er hat gesagt, dass er sich nicht erwürgen wird, und Daddy hatte recht. Das Einzige, was passiert ist, war, dass er nach drei Wochen angefangen hat, den Tisch und sogar den Pfeiler zu verrücken – den Stahlpfeiler unter dem Küchen boden –, aber er hat sich nicht den Hals gebrochen oder sich selbst erwürgt.
Bei anderen Gelegenheiten hat Daddy ihn betäubt, um zu sehen, ob ich ihn nach Boo'ya-Mond mitnehmen kann – hab ich dir erzählt, dass Paul und ich diesen anderen Ort so ge nannt haben?«
»Ja, Scott.« Sie weint jetzt ebenfalls. Lässt ihren Tränen freien Lauf, weil er nicht mitbekommen soll, dass sie sich die Augen wischt, dass sie mit dem kleinen Jungen in dem Farm-haus Mitleid hat.
»Daddy wollte sehen, ob ich ihn mitnehmen und kurieren konnte wie früher, wenn Daddy ihn geschnitten oder ihm mit einer Zange das Auge etwas rausgezogen hatte, wonach Paul geheult und geheult hat, weil er kaum richtig sehen konn te, oder wie Daddy einmal mich angebrüllt und gesagt hat: ›Scoot, du kleiner Hurensohn, du verdammter kleiner Dreck sack!‹, als ich Frühjahrsdreck mit ins Haus geschleppt hatte, und er hat mich umgestoßen und mir das Steißbein gebro chen, sodass ich kaum laufen konnte. Aber nachdem ich auf einer Bool-Jagd gewesen war … einen Preis gewonnen hatte, weißt du … war mein Steißbein wieder in Ordnung.« Er nickt ihr zu. »Und Daddy, er hat's gesehen und mir einen Kuss gegeben und gesagt: ›Scott, einen wie dich gibt's in einer Million nur einmal. Ich liebe dich, du kleiner Dreck sack.‹ Und ich küsse ihn und sage: ›Daddy, dich gibt's in einer Million nur einmal. Ich liebe dich, du großer Drecksack.‹ Und er hat gelacht.« Scott rückt etwas von ihr ab, und sie kann selbst im Halbdunkel sehen, dass sein Gesicht wieder ein Kindergesicht geworden ist. Und sie kann das kindliche Stau nen darauf erkennen. »Er hat so herzhaft gelacht, dass er fast vom Stuhl gefallen ist – ich hab meinen Vater zum Lachen gebracht!«
Sie hat tausend Fragen und wagt nicht, auch nur eine da von zu stellen. Ist sich nicht sicher, ob sie eine stellen könnte .
Scott hebt eine Hand an sein Gesicht, reibt es, sieht sie nochmals an. Und ist wieder da. Einfach so. »Himmel, Lisey«, sagt er. »Über dieses Zeug habe ich nie gesprochen, mit nie mandem. Kannst du das wirklich ertragen?«
»Ja, Scott.«
»Dann bist du eine verdammt tapfere Frau. Hast du schon angefangen, dir einzureden, ich hätte alles nur erfunden?« Er grinst sogar ein bisschen. Es ist ein unsicheres Grinsen, aber es ist unverkennbar echt, und sie findet es liebevoll genug, um es zu küssen, erst einen Mundwinkel, dann den anderen, damit das Gleichgewicht gewahrt bleibt.
»Oh, ich hab's versucht«, sagt sie. »Aber es hat nicht funk tioniert.« »Wegen der Art und Weise, wie wir unter dem Lecker-Baum rausgeboomt sind?«
»Ist das dein Wort dafür?«
»Das war Pauls Bezeichnung für einen Kurztrip. Für einen raschen Trip von hier nach dort. Das war ein Boom.« »Wie ein Bool, aber mit einem m.« »Genau«, sagt er. »Oder wie in ›Book‹ – das ist ein Bool, nur
mit einem k.«
17 Ich schätze, jetzt hängt's von dir ab,
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