Love
Hand, so schwach er auch gewesen war, hatte ausgereicht, um ihr zu signalisieren, dass er dort drüben war, dass er ihr den Weg bereitete …
»Er ist noch immer da«, sagte Lisey. Sie umklammerte wie der den Spatenstiel. »Dieser Weg hinein ist noch da, er muss noch da sein, weil er für alles vorgesorgt hat. Weil er eine ver schmickte Bool-Jagd für mich angelegt hat, um mich vorzu bereiten. Und gestern Morgen im Bett mit Amanda … das warst du, Scott, ich weiß, dass du es warst! Du hast gesagt, mir stünde ein Blut-Bool bevor … und eine Trophäe … ein Getränk, hast du gesagt … und du hast mich Babylove ge nannt. Wo steckst du also jetzt? Wo bist du, wenn ich dich brauche, damit du mich rüberholst?«
Keine Antwort außer dem Ticken der Wanduhr.
Schließ die Augen. Auch das hatte er gesagt. Stell dir unser Zimmer im Antlers vor. Das hilft mir. Es gibt uns Starthilfe. Lisey, du bist ein echter Champ!
»Das will ich hoffen«, erklärte sie dem leeren, sonnigen, scottlosen Schlafzimmer. »O Schatz, das kann ich nur hoffen.«
Hätte man Scott Landon einen großen Fehler nachsagen wollen, hätte man behaupten können, er denke zu viel, aber das war nie ihr Problem gewesen. Wenn sie sich damals an dem heißen Tag in Nashville Zeit genommen hätte, die Situa tion erst einmal zu analysieren, wäre Scott ziemlich sicher umgekommen. Stattdessen hatte sie einfach gehandelt und ihm mit dem Spaten, den sie jetzt in der Hand hielt, das Leben gerettet.
Ich hab versucht, mit Daddys Schaufel aus dem Schuppen herzukommen. Aber sie ist nicht mitgekommen.
Würde der silberne Spaten aus Nashville mitkommen?
Lisey glaubte daran. Und das war gut, denn sie wollte ihn bei sich behalten. »Freunde bis in den Tod«, flüsterte sie und schloss die Augen.
Sie rief gerade ihre Erinnerungen an Boo'ya-Mond, die jetzt wirklich sehr lebhaft waren, ins Gedächtnis zurück, als eine beunruhigende Frage ihre wachsende Konzentration durchbrach: ein weiterer beunruhigender Gedanke, der sie ablenkte.
Welche Tageszeit ist dort, kleine Lisey? Oh, nicht die genaue Stunde, die meine ich nicht, aber ist es Tag oder Nacht? Scott hat es immer gewusst – zumindest hat er das behauptet –, aber du bist nicht Scott.
Nein, aber sie erinnerte sich an einen seiner liebsten Songs: »Night Time Is The Right Time«. In Boo'ya-Mond war die Nacht die falsche Zeit, in der Düfte faulig wurden und Nah rung einen vergiften konnte. Die Nacht war die Zeit, in der die Lacher herauskamen: Wesen, die auf allen vieren liefen, aber sich manchmal wie Menschen aufrichteten und sich umsa hen. Und es gab andere Wesen, schlimmere Wesen.
Wesen wie Scotts Long Boy.
Es ist ganz in der Nähe, Schatz. Das hatte er ihr an dem Tag erzählt, an dem sie geglaubt hatte, dass er sterben müsse, und er in der Sonnenhitze von Nashville gelegen hatte. Ich höre es fressen. Sie hatte behauptet, sie wüsste nicht, wovon er da redete; er hatte sie gezwickt und sie aufgefordert, seinen Ver stand nicht zu beleidigen. Oder ihren eigenen.
Weil ich dort gewesen war. Weil ich die Lacher gehört und Scott geglaubt habe, als er gesagt hat, hier lauern noch schlimmere Wesen. Und so war es. Ich habe das Ding gesehen, von dem er gesprochen hat. Ich habe es im Jahr 1996 gesehen, als ich in Boo'ya-Mond war, um ihn heimzuholen. Nur seine Seite, aber die war genug.
»Sie war endlos«, murmelte Lisey und merkte mit Entset zen, dass sie das tatsächlich glaubte. Im Jahr 1996 war es Nacht gewesen, als sie aus dem kalten Gästezimmer in Scotts andere Welt übergetreten war. Sie war dem Weg gefolgt, hat te den Wald, den Märchenwald betreten und war …
Ganz in der Nähe sprang lärmend ein Motor an. Lisey riss die Augen auf und hätte beinahe geschrien. Dann entspannte sie sich allmählich wieder. Das war nur Herb Galloway oder vielleicht der Sohn der Luttrells, der manchmal bei Herb aus half, der jetzt nebenan den Rasen mähte. Das unterschied sich gewaltig von der bitterkalten Nacht im Januar 96, als sie Scott im Gästezimmer entdeckt hatte: körperlich anwesend und noch atmend, aber auf jede andere wichtige Weise fort .
Sie dachte: Selbst wenn ich es könnte, könnte ich es nicht so – nicht bei solchem Lärm.
Sie dachte: Zu nah steht uns die Welt.
Sie dachte: Wer hat das gesagt? Und wie so häufig folgte diesem Gedanken eine schmerzliche kleine Überlegung: Scott würde es wissen.
Ja, Scott hätte es gewusst. Sie dachte an ihn in all den Motelzimmern: über eine Reiseschreibmaschine
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