Love
dem die Ärzte in Bowling Green letztlich den Namen Lungenentzündung gegeben hat ten (auf den Totenschein eines Mannes, dessen Hinscheiden die New York Times auf der Titelseite melden würde, wollte niemand Todesursache unbekannt schreiben), zuvorgekom men wäre.
Diesseits der Hecke stand eine Eiche; Lisey hatte so geparkt, dass der BMW in ihrem Schatten stand, auch wenn sich im Westen bereits Wolken zusammenballten, sodass Deputy Joe Alston mit seinen nachmittäglichen Gewittern vielleicht doch recht behalten würde. Als einzelner Baum wäre die Eiche ein erstklassiger Markierungspunkt gewesen, aber sie stand nicht allein. Vor der Hecke stand eine ganze Reihe Eichen, die in Liseys Augen alle gleich aussahen … und was zum Teufel machte das schon?
Sie hielt auf den Weg zum Hauptgebäude zu, aber irgend etwas in ihrem Inneren – eine Stimme, die anders klang als die verschiedenen Varianten ihrer eigenen inneren Stimme – hielt sie nörgelnd zurück und bestand darauf, dass sie sich ihren Wagen und seine Position auf dem Besucherparkplatz nochmals genau ansah. Sie fragte sich, ob etwas wollte, dass sie den BMW anderswo abstellte. In diesem Fall machte es seine Wünsche nicht sehr deutlich. Also begnügte sich Lisey stattdessen mit einem Rundgang, wie ihr Vater ihn vor Antritt jeder größeren Fahrt empfohlen hatte. Nur hatte man dabei stets auf ungleichmäßig abgefahrene Reifen, ein durchgebranntes Bremslicht, einen losen Auspuff und der gleichen geachtet. Jetzt wusste sie nicht, wonach sie Aus schau hielt.
Vielleicht schiebe ich bloß meinen Besuch bei Manda auf. Vielleicht steckt nicht mehr dahinter.
Aber das war es nicht. Hinter dieser Sache steckte mehr. Und es war wichtig .
Sie betrachtete ihr Kennzeichen – 5761RD mit dem dämli chen Seetaucher – und einem sehr verblassten Stoßstangen aufkleber, den Jodi ihr als Witz geschenkt hatte. Darauf stand: JESUS LOVES ME, THIS I KNOW, THAT IS WHY I DON'T DRIVE SLOW. Sonst nichts.
Nicht gut genug, nörgelte die Stimme, und dann entdeckte sie etwas Interessantes in der entferntesten Ecke des Parkplat zes, fast unter der Hecke. Eine leere grüne Flasche. Eine Bier flasche, dessen war sie sich fast sicher. Die Gärtner mussten sie übersehen haben, oder sie waren noch nicht wieder hier gewesen. Lisey hastete darauf zu, hob die Flasche auf und nahm kurz einen gewissen säuerlichen landwirtschaftlichen Geruch wahr, der aus dem Flaschenhals kam. Das leicht ver blasste Etikett zeigte einen Wolf, der gefährlich die Zähne fletschte. Dem Etikett nach hatte die Flasche früher einmal Nordic Wolf Premium Beer enthalten. Lisey nahm sie mit und stellte sie direkt unter dem Seetaucher auf ihrem Kennzeichen auf den Asphalt.
Cremeweißer BMW , nicht gut genug.
Cremeweißer BMW im Schatten einer Eiche, noch immer nicht gut genug.
Cremeweißer BMW im Schatten einer Eiche mit einer leeren Bierflasche der Marke Nordic Wolf direkt unter einem in Maine ausgegebenen Kennzeichen 5761RD mit einem Seetaucher dar auf und leicht links von dem Scherzaufkleber … gut genug.
Mit knapper Not.
Und weshalb?
Das war Lisey scheißegal.
Sie hastete in Richtung Hauptgebäude.
Sie hatte keine Mühe, zu Amanda vorgelassen zu werden, obwohl die offizielle Besuchszeit erst um zwei Uhr nachmittags, also in einer halben Stunde begann. Dank Dr. Hugh Alberness – und natürlich dank Scott – war Lisey in Greenlawn eine Art Star. Zehn Minuten nachdem sie am Empfang (schein bar winzig vor einem gigantischen New-Age-gefärbten Wandgemälde, auf dem Kinder gebannt und Händchen haltend zu einem Sternenhimmel aufsahen) ihren Namen genannt hatte, saß Lisey mit ihrer Schwester auf der kleinen Veranda vor Amandas Zimmer, schlürfte faden Früchtepunsch aus einem Pappbecher und verfolgte ein Krocketspiel auf dem üppig grünen Rasen hinter dem Hauptgebäude, dem die Klinik zweifellos ihren Namen verdankte. Irgendwo außerhalb ihrer Sichtweite ratterte monoton ein Rasenmäher. Die Schwester vom Dienst hatte Amanda gefragt, ob sie nicht auch einen Becher »Früchtegold« wolle, und ihr Schweigen als Zustimmung gedeutet. Jetzt stand er unberührt auf dem Tisch neben ihr, während Amanda – in einem minzgrünen Pyjama und mit einem gleich farbenen Band in ihren frisch gewaschenen Haaren – blicklos in die Ferne starrte. Sie sieht die Krocketspieler nicht an, dach te Lisey, sondern durch sie hindurch. Sie hielt die Hände im Schoß gefaltet, aber Lisey konnte den um ihren linken Hand ballen führenden
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