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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ist, doch zurückzu weichen – auf das sonnendurchglühte Brachland, auf dem ab 1991 die Shipman Library stehen wird (das heißt, wenn den Versprechungen des Generalunternehmers zu trauen ist). Dann bewegt er sich tatsächlich der Flut entgegen vorwärts, wobei er seine bis dahin gefalteten Hände einsetzt, um erst ein Mädchen nach links, dann einen jungen Mann nach rechts aus dem Weg zu stoßen. Sein Mund bewegt sich noch immer. Lisey denkt zuerst, dass er ein stilles Gebet spricht, aber dann hört sie bruchstückhaftes Gestammel – wie von einem schlechten James-Joyce-Plagiator – und ist erstmals wirklich alarmiert. Blondies irgendwie unheimliche blaue Augen fixieren ihren Mann, sehen nur ihn allein, aber Lisey begreift, dass er nicht über Hinterlassenschaften oder die ge heime religiöse Botschaft in Scotts Romanen diskutieren will. Dies ist nicht einfach ein Deep Space Cowboy.
    »Die Kirchenglocken kamen die Angel Street herab«, sagt Blondie – sagt Gerd Allen Cole – der, wie sich herausstellen wird, den größten Teil seines siebzehnten Lebensjahrs in einer teuren Nervenklinik in Virginia verbracht hat, aus der er als geheilt entlassen wurde. Lisey versteht jedes Wort. Sie durch schneiden das allgemeine Gemurmel, das lauter werdende Schwatzen der Menge, wie ein Messer durch einen locker ge backenen Kuchen gleitet. »Dieses kratzige Geräusch wie von Regen auf einem Blechdach. Schmutzige Blumen, schmutzig und süß, so klingen die Kirchenglocken in meinem Keller, als ob du’s nicht wüsstest!«
    Eine Hand, die ganz aus blassen, langen Fingern zu beste hen scheint, greift nach den Schößen seines weißen Hemdes, und Lisey versteht genau, was hier vorgeht. Sie sieht es in abgehackten Fernsehbildern
    (George Wallace Arthur Bremmer)
    aus ihrer Kindheit. Sie sieht zu Scott hinüber, aber der redet mit Dashmiel. Dashmiel wiederum starrt Stefan Queensland an, und sein verärgertes Stirnrunzeln besagt, dies sind Reich lich! Genug! Fotos! Für einen Tag! Danke!. Queensland blickt angelegentlich auf seine Kamera hinunter, verändert irgend eine Einstellung, und Anthony »Toneh« Eddington schreibt irgendetwas in sein Notizbuch. Sie erspäht den älteren Cam-pus-Cop, den mit dem Kakihemd und dem schaurig rihiesigen Aufnäher; er beobachtet die Menge, aber den falschen Teil , verdammt noch mal! Lisey kann unmöglich alle diese Leute und dazu noch Blondie sehen, aber sie tut es trotzdem, sie kann sogar sehen, wie Scotts Lippen die Worte Hat ganz gut geklappt, oder? bilden, was eine Testfrage ist, die er nach solchen Veranstaltungen oft stellt, und o Gott, o Jesus, Maria und Jojo der Zimmermann, sie versucht, Scotts Namen zu kreischen und ihn zu warnen, aber ihre Kehle krampft sich zusammen, ist schlagartig wie ausgedörrt, sie bringt kein Wort heraus, und Blondie hat den Saum seines übergroßen weißen Hemdes ganz hochgezogen, und darunter werden lee re Gürtelschlaufen und ein flacher haarloser Bauch, ein Forellenbauch, sichtbar, und von dieser weißen Haut hebt sich der Griff einer Pistole ab, den seine Finger jetzt umfassen, und während er sich Scott von rechts nähert, hört sie ihn sagen: »Kann es die Lippen der Glocken verschließen, hat es seinen Zweck erfüllt. Tut mir leid, Papa.«
    Tut mir leid, Papa.
    Sie rennt auf ihn zu, versucht es zumindest, aber sie leidet unter einem schaurig rihiesigen Fall von Bleifüßen, und dann drängt jemand sich vor sie, eine athletische Studentin, die ihre Haare mit einem breiten weißen Seidenband, auf dem in rot umrandeten blauen Buchstaben NASHVILLE steht, zu sammengefasst hat (seht ihr, wie sie alles sieht?), und Lisey schubst sie mit der Hand, in der sie den Spaten trägt, und die Studentin keift: »He!«, nur klingt dieser Laut langsamer und gedehnter – wie für 78 Umdrehungen aufgenommen und auf 45 oder gar nur 33 abgespielt. Die ganze Welt ist zu zähflüssi gem heißem Teer geworden, und die athletische Studentin mit NASHVILLE im Haar versperrt ihr eine Ewigkeit lang den Blick auf Scott; sehen kann sie nur Dashmiels Schulter. Und Tony Eddington, der in seinem verdammten Notizbuch blättert.
    Dann endlich verschwindet die Studentin aus Liseys Blickfeld, und sobald Dashmiel und ihr Mann wieder ganz sichtbar werden, beobachtet Lisey, wie der Kopf des Anglistikprofessors ruckartig hochfährt und sein Körper auf Alarmstufe Rot schaltet. Das passiert blitzschnell. Lisey sieht, was Dashmiel sieht. Sie sieht Blondie mit der Pistole (sie wird sich als eine .22er

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